Mario Draghi:"Fragen Sie meine Frau. Die weiß es"

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Auf seiner letzten Pressekonferenz zeigt sich der scheidende EZB-Chef Mario Draghi versöhnlich - und lobt sich ein bisschen selbst.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es kann auch gemütlich sein bei der Europäischen Zentralbank. Mario Draghi steht im fünften Stock der EZB-Zentrale, soeben hat er seine letzte Pressekonferenz als EZB-Chef beendet. Es wird Sekt gereicht. Draghis Frau ist auch da, sie steht neben ihm, nachdem sie den Auftritt ihres Mannes im Pressesaal verfolgt hat. Draghi ist ein Familienmensch, erzählt man sich in der Notenbank. Es stimmt wohl. Auf die Frage, was er denn machen werde ab November, wenn Christine Lagarde übernimmt, antwortete Draghi offenherzig: "Fragen Sie meine Frau. Die weiß es."

Mario Draghi, der Retter der Euro-Zone, hört auf, und er versuchte diesen Umstand nicht weiter aufzubauschen. Wie gewohnt verlas er am Donnerstag nach der letzten EZB-Ratssitzung mit den Kollegen den mit Fachbegriffen gespickten Bericht zur geldpolitischen Lage in der Euro-Zone. Die Inflation ist immer noch zu niedrig, deshalb bleibt die EZB bei ihrer lockeren Geldpolitik. Im September hatte Draghi deshalb eine weitere Erhöhung des Strafzinses auf Bankeinlagen durchgesetzt und auch den Ankauf von Anleihen erneut gestartet. Es gab darüber heftigen Streit im obersten Entscheidungsgremium.

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Der ehemalige Finanzminister findet, Mario Draghi habe als EZB-Präsident vieles richtig gemacht - aber dann den entscheidenden Moment verpasst.

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Den darf nun Lagarde schlichten, wenn sie am 1. November übernimmt. Draghi ist mit sich im Reinen. "Die Negativzinsen waren eine sehr positive Erfahrung", gab er den kritischen Deutschen mit auf den Weg. Es sei im Vergleich zu der Lage vor ein paar Jahren "eine gute Zeit für die Euro-Zone", sagte Draghi. Sein größter Fehler? Er schüttelte den Kopf, ein Grinsen im Gesicht. "Das kann ich nicht beantworten, weil ich die Vergangenheit nicht ändern kann."

Es war viel los zu seinem Abschied, eine lange Schlange am Eingang der EZB. Journalisten aus aller Welt wollten ihn noch einmal erleben. Die Zugangskontrolle schien ein wenig strenger zu sein als sonst. Nur eine Sicherheitsschleuse war geöffnet, das vermied Chaos. Ein abseits stehender Sicherheitsmann schaute dezidiert jedem Besucher streng in die Augen. Nur keine böse Überraschung zum Abschied. Erinnerungen wurden wach an 2015. Damals hatte sich eine Aktivistin unter die Journalisten geschummelt. Sie sprang während der Pressekonferenz auf den Tisch von Draghi und bewarf ihn mit Konfetti. Für die Sicherheitstruppe war das eine Katastrophe, Draghi nahm es lässig. Er gab später für die unerwartete Unterbrechung fünf Minuten oben drauf. Cool war er eigentlich immer, der Italiener.

"Unser Erbe ist: Wir geben niemals auf."

Zu Beginn seiner Amtszeit 2012, als deutsche Journalisten ihm eine preußische Pickelhaube schenkten, zog er sie auf und ließ sich fotografieren. Das sollte die Deutschen überzeugen, dass es der Italiener ernst meint mit der strengen Geldpolitik. Die Kopfhaube steht seit damals in seinem Büro. Ob er sie mitnehme, die Pickelhaube?, lautete eine Frage. "Geschenkt ist geschenkt", sagte Draghi auf Deutsch, was er in den vergangenen acht Jahren sehr selten getan hat. Meist nur dann, wenn er über die "Angst" in Deutschland vor seinen Entscheidungen sprach. Oder wenn er seinem Ärger Luft machte, dass die Deutschen "Nein zu allem" sagen würden, was er vorschlug. Doch das ist vergeben und vergessen an diesem Tag.

Dabei hätte er bei dieser letzten Pressekonferenz die Chance gehabt, den deutschen Kritikern noch einmal zu erklären, warum sie falsch lagen. Er sagte nichts, gab sich entspannt. Das war er auch bei seinem ersten Auftritt am 3. November 2011. Die Euro-Zone stand vor dem Kollaps, und Draghis erste Amtshandlung bestand darin, die Leitzinsen wieder zu senken. Damals war er 64 Jahre alt, seine Stimme klang sehr beherzt, als er sich für das "Privileg" bedankte, das erste Mal eine Sitzung des EZB-Rats geleitet zu haben. Auch die Unterstützung der Kollegen lobte er, eine transparente Kommunikation umzusetzen.

In den folgenden Jahren ist es immer wieder zu Reibereien gekommen, vor allem mit der Bundesbank. Aber Draghi machte sein Ding. "Ich fühle mich wie einer, der versucht hat, das Mandat der EZB so gut wie möglich zu erfüllen", sagte Draghi am Donnerstag. Über die Zerwürfnisse wollte er nicht sprechen. Es gebe überall Meinungsverschiedenheiten. Und seine Hinterlassenschaft? "Unser Erbe ist: Wir geben niemals auf."

© SZ vom 25.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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