InflationEZB senkt Zinsen wegen Trumps Zollpolitik

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Beschloss einen weiteren Zinsschritt nach unten: Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank.
Beschloss einen weiteren Zinsschritt nach unten: Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Europas Notenbank reduziert den Leitzins zum siebten Mal hintereinander auf jetzt 2,25 Prozent. Die Inflationsgefahr scheint gebannt, die Währungshüter befürchten jetzt einen Wirtschaftsabschwung.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Wenn du dich in einem dunklen Raum befindest, bewege dich nicht. Dieser Maxime, in undurchschaubaren Wirtschaftslagen an den Leitzinsen zunächst nicht zu drehen, sind Notenbanker in ihrer Geschichte oft gefolgt. Doch mit US-Präsident Donald Trump ist diese Strategie nur schwer durchzuhalten. Durch seine erratische und extreme Zollpolitik schaltet Trump das Licht in immer anderen Farben erst an und dann wieder aus. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), muss also in Parallelwelten denken, einer Dimension, in der gegensätzliche Dinge jederzeit geschehen können.

Insoweit schien die Entscheidung der Notenbank, die Leitzinsen am Donnerstag zum siebten Mal hintereinander um 0,25 Prozentpunkte zu senken, ein guter Kompromiss zu sein. Der für die Geldpolitik wichtigste Leitzins, der Einlagensatz, liegt nun bei 2,25 Prozent. „Wir erleben eine exzeptionelle Unsicherheit“, sagte Lagarde nach der Zinsentscheidung des EZB-Rats. Die Wirtschaftsaussichten hätten sich verschlechtert aufgrund des Handelsstreits. Wie stark sich der internationale Zollstreit auf die Inflation in der Euro-Zone auswirke, sei derzeit unklar.

Niedrige Leitzinsen kurbeln die Wirtschaft an, und das scheint nötig zu sein, trotz aller Inflationsängste. Die Währungshüter müssen vom Schlimmsten ausgehen. Eine weltweite Rezession ist möglich, wenn der Zollstreit weiter eskaliert. Sobald sich viele Staaten gegenseitig mit Zöllen bestrafen, bricht der globale Handel ein, es entstehen Lieferengpässe, und es drohen Entlassungen. „Durch die drastische und erratische Zollpolitik der US-Regierung ist die Gefahr einer globalen Rezession deutlich gestiegen und die Risiken für die Finanzmarktstabilität haben sich merklich erhöht“, sagt Silke Tober, Expertin für Geldpolitik am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Die Zentralbank solle aber perspektivisch weitere Lockerungen der geldpolitischen Zügel ankündigen.

Nach der hohen Inflation der vergangenen Jahre steht dem alten Kontinent schlimmstenfalls der Rückfall in eine Situation bevor, die Europas Wirtschaft in den 2010er-Jahren geprägt hat: Die Rede ist von einer Deflation, also stark sinkenden Preisen, die die Konjunktur abwürgen können. Vor Trumps Zoll-Chaos galt ein solches Szenario als abwegig, denn die Inflationsrate in der Euro-Zone lag mit zuletzt 2,2 Prozent immer noch über dem Ziel der Notenbank, das Preisniveau bei 2,0 Prozent zu fixieren.

Angst vor Rezession und Börsen-Crash

Doch die in den USA ausgelösten Turbulenzen an den weltweiten Aktien- und Staatsanleihemärkten vergangene Woche machten deutlich, wie ernst Investoren die Gefahr einer Rezession nehmen und wie fragil die Stabilität an den Finanzmärkten ist. US-Staatsanleihen erlitten Kursverluste wie seit den 1980er-Jahren nicht mehr, die Investoren stellen angesichts von Trumps Handelspolitik die Solidität dieser Wertpapiere infrage. Welch ein Paradigmenwechsel: US-Dollar-Bonds galten in früheren Finanzmarktkrisen als sicherer Hafen für Anleger. Inzwischen notiert der Wert des Euro gegen den früher starken Dollar auf dem höchsten Stand seit drei Jahren.

Zölle können inflationär und deflationär wirken

Trump hat zwar die meisten der vergangenen Woche angekündigten Zölle für 90 Tage ausgesetzt, doch es gelten in den USA bis zu 145 Prozent Zoll auf chinesische Exporte. Peking hat mit Zöllen in Höhe von 125 Prozent gekontert. Die EU wurde mit Zöllen in Höhe von zehn Prozent belegt, die auf 20 Prozent steigen könnten, wenn die EU den Forderungen Washingtons nicht gerecht wird. Zölle sind zwar Preisaufschläge, doch ob sie inflationär, deflationär oder kaum auf das allgemeine Preisniveau wirken, hängt von vielen Faktoren ab. Den USA, so befürchtet Notenbankchef Jerome Powell, drohe aufgrund der hohen Importzölle mittelfristig eine Inflation. Daher wartet er mit weiteren Zinssenkungen, was ihm sofort eine Rüge von Trump einbrachte. Der US-Präsident fordert schon lange, die Leitzinsen stark abzusenken.

In Europa, so denken einige Notenbanker, könnte es genau umgekehrt kommen, sprich die Inflation stark zurückgehen: Etwa wenn China seine riesigen Warenmengen, die wegen der hohen Zölle in den USA keinen Absatz mehr finden, stattdessen in Europa billigst auf den Markt wirft. Die EU und China sind derzeit in Gesprächen, um ein solches Preisdumping chinesischer Hersteller zu unterbinden, weil das den europäischen Unternehmen unbotmäßig schaden würde. „Donald Trump fügt seinen US-Wählern Schaden zu durch höhere Verbraucherpreise, und er schenkt den Europäern eine sinkende Inflationsrate“, sagt Volkswirt Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Das sind die unerwarteten Folgen von Trumponomics.“

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