EZB:Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen

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Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, nach der Ratssitzung im Juni. Damals wurde der Einlagezins erstmals seit fünf Jahren wieder verringert. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Für die Europäische Zentralbank ist das genaue Timing für die anstehenden Zinssenkungen schwierig. Vorerst tut sie nichts – aus Gründen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mit ihrer Entscheidung, die Leitzinsen unverändert zu lassen, macht die Europäische Zentralbank deutlich, dass die Inflation in der Währungsunion noch nicht besiegt ist. Die Finanzmärkte gehen nun davon aus, dass die Währungshüter bei ihrem nächsten geldpolitischen Treffen im September die Leitzinsen absenken, doch sicher ist das nicht. „Wir legen uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. „Wir entscheiden bei jedem Treffen auf Basis der aktuellen Daten. Die restriktive Geldpolitik wird fortgesetzt, bis wir unser Inflationsziel erreicht haben“, sagte Lagarde.

Der EZB-Rat beließ den Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken Geld bei der EZB besorgen können, bei 4,25 Prozent. Der Einlagensatz beträgt weiterhin 3,75 Prozent. Er gilt der Notenbank als wichtigstes Steuerungsinstrument, weil damit die Überschussreserven der Banken verzinst werden.

„Die EZB hat es alles andere als eilig mit weiteren Zinssenkungen. Zurzeit sieht es gut aus für eine nächste Zinssenkung im September, denn auch die bislang hartnäckig hohe Dienstleistungsinflation im Euroraum lässt auf eine Beruhigung in den nächsten Monaten hoffen“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Allerdings habe es in den zurückliegenden Monaten genügend Überraschungen bei den Preisen gegeben, dass eine Festlegung auf einen Zinspfad oder einen Zielwert für die Leitzinsen nicht weise sei.

Die Währungshüter hatten im Juni das erste Mal seit fünf Jahren den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte abgesenkt. Doch wegen des anhaltenden Preisschubs wurde erwartet, dass die EZB den Leitzins nach diesem Treffen des EZB-Rats auf dem historisch sehr hohem Niveau belassen würde. Die Inflation in der Euro-Zone lag im Juni bei 2,5 Prozent. Im Mai war die Inflation nach längerer Zeit wieder angestiegen, und zwar auf 2,6 Prozent. Diese Werte liegen deutlich unter den Teuerungsraten von Herbst 2022, als die Inflation auf mehr als zehn Prozent geklettert war. Die EZB strebt eine Teuerung von exakt zwei Prozent an. In ihrer derzeitigen Prognose geht die Notenbank davon aus, dass die Jahresinflation 2024 2,5 Prozent betragen wird – also deutlich mehr als das selbst gesteckte Ziel.

Ein Problem: Die Inflation im Dienstleistungsbereich ist mit 4,1 Prozent immer noch sehr hoch. Dazu kommt ein starkes Lohnwachstum in der 20-Länder-Gemeinschaft. Gewerkschaften nutzen ihre starke Verhandlungsposition, denn die Arbeitslosenquote in der Euro-Zone lag im Mai mit 6,4 Prozent so tief wie nie zuvor.

Der Preisschub der vergangenen Jahre kam vor allem durch Produktions- und Lieferstopps während der Corona-Pandemie zustande, später verstärkt durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Güter und Rohstoffe waren knapp. Verbraucher mussten für Lebensmittel und Energie deutlich mehr bezahlen. In der Folge forderten Gewerkschaften wegen der Inflation hohe Lohnsteigerungen, was den Preisdruck aufrechterhielt.

Die EZB hatte die Zinsen zehnmal hintereinander erhöht

Die Regierungen in der Euro-Zone hoffen auf weitere Leitzinssenkungen ab September, denn die Neuverschuldung wird dadurch günstiger. Gleichzeitig erhoffen sie sich dadurch einen Wachstumsschub für Europas stagnierende Wirtschaft. Hohe Zinsen machen Kredite teuer. Das bremst die Wirtschaft, gleichzeitig aber auch die Inflation. Es ist schwierig für die Währungshüter, hier das richtige Timing zu haben.

Im Juli 2022 hatte die EZB ihre jahrelange Null- und Negativzinspolitik beendet, um die auf Rekordhöhe gestiegene Inflation in den Griff zu bekommen. Zehnmal in Folge erhöhte die Notenbank die Zinsen, ehe sie eine Pause einlegte und im Juni die Zinswende einleitete.

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