EZB:Über was Notenbanker gerne reden

EZB: EZB-Präsidentin Christine Lagarde spricht gerne über umweltpolitische Themen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde spricht gerne über umweltpolitische Themen.

(Foto: Rainer Unkel/IMAGO)

Währungshüter haben mit der Inflationsbekämpfung eigentlich genug zu tun. Doch bei öffentlichen Auftritten sprechen sie nicht so gerne über die Preisstabilität - andere Themen sind ihnen oft lieber.

Von Markus Zydra, Frankfurt

"Es ist leichter den Mund zu halten als eine Rede" - witzelte Heinz Ehrhardt. Doch der deutsche Humorist hatte mit diesem Bonmot gut reden, denn es gibt Jobs, bei denen es keine Option ist, den Mund zu halten. Währungshüter beispielsweise müssen der Öffentlichkeit ihre Entscheidungen erläutern, und das unter erschwerten Umständen, da die Notenbankerrhetorik aufgrund der Komplexität des Sujets in den allermeisten Fällen kein Gassenhauer ist. Größten Respekt verdienen daher Wissenschaftler des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW. Die Experten haben, unter Hinzuziehung von Algorithmen, über 3800 Reden der EZB-Notenbanker seit 1999 analysiert, um herauszufinden, inwieweit sich die Themen der Währungshüter in den vergangenen Jahren erweitert haben. Erweitert?

Moment mal, die EZB hat doch eigentlich nur eine Aufgabe: für stabile Preise zu sorgen. Das Thema Inflation sollte daher in den öffentlichen Redebeiträgen zentral sein. Doch das ist es nicht immer. Die Chefin geht voran. Christine Lagarde hat in den drei Jahren ihrer Amtszeit in der Kommunikation vieles verändert. Umweltpolitische Themen sind en vogue, inzwischen werde das Klimawandel-Thema in jeder zweiten Rede angesprochen, so das Ergebnis der ZEW-Studie. Insbesondere steche hervor, "wie sehr Lagarde die Debatte zum Verhältnis von Geld- und Klimapolitik dominiert. Sie führt das Feld aller Ratsmitglieder an im Hinblick auf den Anteil dieses Themas an den eigenen Reden", so die ZEW-Studie. Ihr Vorgänger Mario Draghi habe das Klima-Thema hingegen praktisch niemals erwähnt. Und noch etwas ist aufgefallen: "Vertreter Südeuropas erwähnen in ihren Reden im Vergleich zu den Kollegen aus Nord- und Westeuropa das Thema Preisstabilität weniger oft", sagt Friedrich Heinemann, Chefvolkswirt des ZEW. Diese Notenbanker sprechen dann gerne über die Stabilität an den Finanzmärkten - oder eben übers Klima. Auf dem Marktplatz sieht man sie selten: Währungshüter adressieren meist ein Expertenpublikum bei internationalen Konferenzen und Universitäten.

Unterschiedliche Sichtweisen auf geldpolitische Themen

Wie sind unterschiedliche Sichtweisen auf geldpolitische Themen zu erklären? Die EZB versteht sich zwar als europäische Institution, aber ihre Mitglieder sind Menschen aus verschiedenen Staaten mit unterschiedlicher Geschichte und gesellschaftlicher Sozialisation. Die sechs Direktoriumsmitglieder mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde an der Spitze kommen aus sechs verschiedenen Staaten. Dazu kommen die 19 Notenbankchefs aus den Euro-Mitgliedsländern. Insgesamt gibt es also 25 Währungshüter aus 19 Staaten, die sich mit ihren Reden positionieren möchten. Da hat jedes Mitglied den eigenen Schwerpunkt, manche Währungshüter thematisieren sogar die Vermögensverteilung in der Gesellschaft. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane forderte vergangene Woche, dass die Reichen stärker besteuert werden sollten, um die Kosten der Energiekrise zu schultern.

So positiv es wirkt, dass sich die Zentralbank gesellschaftlichen Problemen widmet: Die Inflationierung der EZB-Themen birgt womöglich eine Gefahr. "Diese starke Aufmerksamkeit für andere Ziele als Preisstabilität kann geldpolitische Glaubwürdigkeit untergraben", meinte ZEW-Chefvolkswirt Heinemann. "Das kann als Signal verstanden werden, dass die EZB die Preisstabilität nicht mehr so hoch gewichtet wie in früheren Zeiten."

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