EZB:Draghi pausiert

Der Chef der Europäischen Zentralbank pumpt wider Erwarten doch nicht mehr Geld in die Märkte - vorerst. Die Anleger hätten lieber neues, frisches Geld gesehen.

Von Harald Freiberger

Die Europäische Zentralbank (EZB) dreht den Geldhahn jetzt nicht noch weiter auf. Während ihrer Ratssitzung am Donnerstag beschlossen die Notenbanker keine weiteren Maßnahmen, die über die bereits bestehenden hinausgehen. Für viele Beobachter kam das überraschend. Sie hatten damit gerechnet, dass EZB-Präsident Mario Draghi zumindest das Programm zum Kauf von Anleihen verlängert; es ist bislang bis März 2017 befristet. Draghi sagte aber, man habe im Rat einen solchen Schritt "nicht diskutiert".

Manche Experten hatten weitere Schritte erwartet, weil sich die wirtschaftliche Ausgangslage in Europa nach dem Brexit verschlechtert hat. Die EZB senkte ihre Prognose für das Wachstum in der Eurozone für 2017 und 2018 auch von 1,7 auf 1,6 Prozent. Sie hält das aber offensichtlich nicht für so dramatisch, dass sie sofort dagegen ansteuern müsste. Gleichzeitig sagte Draghi aber: "Falls nötig, werden wir mit allen uns im Rahmen des Mandats zur Verfügung stehenden Mitteln handeln."

Die Börsen reagierten enttäuscht. Sie hätten lieber neues, frisches Geld gesehen

Damit bleibt es bei den bisherigen Rahmendaten, die ohnehin schon eine extrem lockere Geldpolitik bedeuten: Der Leitzins in Europa liegt seit März bei null Prozent. Jeden Monat kauft die EZB Anleihen im Wert von 80 Milliarden Euro. Erst vor wenigen Tagen überschritt sie die Grenze von einer Billion Euro. Bis Ende März sind 1,74 Billionen Euro geplant. Seit Juni kauft die EZB neben Staatsanleihen zudem Unternehmensanleihen auf. Sie will damit die Wirtschaft ankurbeln. Da die Renditen der Anleihen sinken, werden sie für Banken unattraktiver. Diese sollen stattdessen, so die Hoffnung, mehr Kredite an Unternehmen vergeben, was die Wirtschaft ankurbelt. So sollen auch die Preise steigen. Die Inflation in der Euro-Zone beträgt derzeit gerade 0,2 Prozent und ist deutlich vom EZB-Ziel von nahe zwei Prozent entfernt.

"Das ist wahrscheinlich nur eine Atempause im geldpolitischen Harakiri - die Türen für weitere monetäre Lockerungen bleiben sperrangelweit geöffnet", sagte Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Viele gehen davon aus, dass die EZB bis Ende des Jahres weitere Maßnahmen verkündet, vor allem eine Verlängerung der Anleihenkäufe. Der nächste wichtige Termin ist die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed am 21. September. In den USA läuft die Konjunktur schon deutlich besser. Deshalb ist es sogar möglich, dass die Fed die Zinsen erhöht. Die Anleihenkäufe hat sie schon im vergangenen Jahr eingestellt. In Europa geht es noch in die andere Richtung. Mit einer Zinserhöhung rechnet kaum jemand vor 2018.

Damit bleiben den Bürgern in Europa auch die negativen Begleiterscheinungen der Nullzinspolitik noch länger erhalten: Sie bekommen kaum mehr Zinsen für ihr Erspartes, die Renditen von Lebensversicherungen sinken massiv, Altersvorsorge wird zum Problem. Gleichzeitig kommen Banken, Versicherungen und Pensionskassen immer stärker in Bedrängnis. Zudem wächst die Gefahr von Blasen, da das billige Geld Aktienkurse und Immobilienpreise aufbläht.

Draghi aber verteidigt seine Politik: Die Anleiherenditen in den Eurostaaten hätten sich angeglichen, außerdem würden die Banken wieder mehr Kredite vergeben. "Unsere Politik ist sehr effektiv", sagte er. Dass sie den Banken schaden würde, wie diese lautstark beklagen, wies er zurück. "Das können wir bislang nicht sehen." Die Banken sollten die niedrigen Zinsen daher nicht als Ausrede nehmen für all das, was bei ihnen schieflaufe.

An den Börsen wurde die Pause, die sich Draghi auferlegte, negativ aufgenommen. Die Anleger hätten es lieber gesehen, wenn er noch mehr Geld in die Märkte pumpt. Der Dax verlor 0,6 Prozent, der Euro und die Renditen von Bundesanleihen stiegen.

EZB vor Frankfurter Bankenskyline

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist umstritten. Nun muss sie sich auch noch für ihr Zahlungssystem Target-2 rechtfertigen. Kritiker meinen, Deutschland würde dadurch für Schulden anderer Euro-Staaten haften.

(Foto: Boris Roessler/dpa)
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