EZB:Draghi macht es möglich

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Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit seinem Kurs in den vergangenen Jahren geldpolitisch viel gewagt und experimentiert. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt für steigende Aktienkurse. Um vernünftige Renditen zu erzielen, sind Anleger förmlich gezwungen, an den Markt zu gehen.

Von Markus Zydra

Die Börsen können auch Spaß machen, denn der deutsche Aktienindex Dax erreicht einen Rekordstand nach dem anderen. Mittlerweile notiert das wichtigste Börsenbarometer hierzulande über 13 000 Punkte. Man mag sich erinnern: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im März 2009 lag der Dax bei 3600 Punkten. Mutige Anleger, die sich etwa mit einem ETF (Exchange Traded Fund) auf den Dax rechtzeitig an den Markt gewagt haben, können sich heute über ordentliche Gewinne freuen.

Die Aktien-Hausse ist kein Zufall. Die Wirtschaft wächst, und die Unternehmen machen Gewinne. Das ist der eine Grund. Doch der andere Grund ist noch wichtiger, denn erst die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Erholung möglich gemacht. Erstens: Das billige Notenbankgeld mit Nullzinsen hat das Wirtschaftswachstum angekurbelt. Zweitens: Die billionenschweren Anleihenkäufe der Notenbank haben an den Finanzmärkten die Renditen für Schuldscheine massiv reduziert. Man verdient nichts mehr mit diesen Wertpapieren. Einige Staatsanleihen werfen sogar Verluste ab, selbst riskante Unternehmensanleihen entschädigen Investoren nicht mehr für das Risiko. Die Folge ist ein Anlagenotstand, der historisch ohne Beispiel ist: Um vernünftige Renditen zu erzielen, sind Anleger förmlich gezwungen, an den Aktienmarkt zu gehen. Es gibt keine Alternative. Weil so viel Geld in die Aktienmärkte floss, sind natürlich die Kurse in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Dieses Phänomen war in allen Industriestaaten zu beobachten. Überall haben die Notenbanken als Reaktion auf die globale Finanzkrise ihre Geldpolitik gelockert.

Doch was passiert, wenn sie den Zufluss von billigem Geld wieder kappen? Die EZB weiß um die Gefahren. Bei ihrer jüngsten Ratssitzung am Donnerstag hat sie zwar beschlossen, künftig weniger Anleihen aus der Euro-Zone zu kaufen. Doch der Leitzins bleibt auf Jahre hinaus bei null Prozent. Die Notenbank möchte kein Risiko eingehen. Zwar wächst Europas Wirtschaft in diesem Jahr über zwei Prozent, aber EZB-Präsident Mario Draghi ist davon überzeugt, dass dieser Aufschwung ohne eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik nicht nachhaltig wäre.

Die EZB hat beschlossen, ab Januar 2018 jeden Monat nur noch 30 Milliarden Euro in den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen zu stecken. Bislang lag das Volumen bei monatlich 60 Milliarden Euro. Dieses Programm läuft im Dezember aus und wird nun - mit halber Kraft - bis September 2018 verlängert. Bis dahin wird die Notenbank durch den Ankauf von Anleihen insgesamt 2,6 Billionen Euro in den Finanzmarkt gepumpt haben. Die EZB behält sich vor - je nach Ernst der Lage -, noch mehr Schuldscheine zu kaufen.

Ein weitere Verlängerung über September 2018 hinaus erscheint derzeit unwahrscheinlich. Doch selbst nach einem Ende wäre es nicht vorbei. Die EZB möchte ihren Bestand von 2,6 Billionen Euro stabil halten. Das bedeutet: Wenn Anleihen fällig werden und die Gläubiger ihre Schuld begleichen, wird die EZB das Geld sofort in eine neue Anleihe investieren. Dadurch bleiben die Währungshüter auf Jahre hinaus der wichtigste Akteur an den europäischen Anleihemärkten.

Die gesamte Bilanzsumme der EZB beträgt 4,4 Billionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2012, dem Höhepunkt der Finanzkrise, waren es rund drei Billionen Euro. Die EZB verfolgt jetzt, da Europas Wirtschaft wächst, eine lockerere Geldpolitik als zum Höhepunkt der Krise. Die Bundesbank hätte es daher gern gesehen, wenn der EZB-Rat am Donnerstag ein definitives Enddatum für das Anleihenkaufprogramm beschlossen hätte. Doch eine Mehrheit der Notenbanker wollte das Ende offenhalten.

Mit Draghi an der Spitze hat die EZB in den vergangenen Jahren geldpolitisch viel gewagt und experimentiert, auch durch die Einführung eines Strafzinses oder langjährige Darlehen an Banken. Nie zuvor ist so viel billiges Geld in den Finanzkreislauf geflossen. Nun geht die lockere Geldpolitik der EZB in ihre letzte Runde, die aber einige Jahre dauern könnte. Diese Nachricht sorgte für weitere Kursgewinne an den Aktienmärkten.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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