Kreditinstitute:Geprüft in den Vorstand

Wer in die Führungsetage einer Bank strebt, wird zuvor von der Finanzaufsicht durchleuchtet. Die europäische Zentralbank will dabei künftig genauer hinschauen.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Wer in den Vorstand einer Bank aufgestiegen ist, hat vergleichsweise viel Macht, aber eben auch große Verantwortung: Manager, die versagen, können ein Geldhaus in die Pleite treiben und damit großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Angehende Bankvorstände müssen daher bei der Finanzaufsicht vorstellig werden, wenn sie in die oberste Führungsetage aufsteigen wollen. Sie müssen dabei allerhand nachweisen, etwa Erfahrung bei der Kreditvergabe, anders als Chefs vom Industrieunternehmen, für die es solche Regeln nicht gibt.

Diese so genannte Eignungsprüfung ist aber offenbar noch nicht ausreichend. Die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) wollen Geldhäuser jedenfalls strenger kontrollieren, wenn sie ihre Vorstandsetagen neu besetzen. Notenbank-Direktor Yves Mersch, zugleich Vize-Chef der EZB-Bankenaufsicht, will "bestehende Lücken schließen", wie er in einem Gastbeitrag für mehrere europäische Medien schrieb. Die EZB habe zwar gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden einheitliche Kriterien für Führungskräfte erarbeitet, damit sei es aber nicht getan.

Denn nicht nur Erfahrung bei der Kreditvergabe, auch die Ausbildung, Leumund und der Charakter spielen für Eignung zum Bankvorstand eine große Rolle. Hat sich der Aufsichtsrat auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin geeinigt, ist dieser geplante Personalwechsel der Bankenaufsicht zu melden. Die Behörde überprüft dann den Lebenslauf des Kandidaten. Das Problem: Die nationale Aufsichtsbehörde, also in Deutschland die Bafin, und die EZB müssen kooperieren, was mitunter schwierig ist, weil in den einzelnen Euro-Mitgliedsstaaten zur Eignung eines Kandidaten zum Teil höchst unterschiedliche Regeln gelten. Die EU-Richtlinie ließ den nationalen Gesetzgebern viel Spielraum bei der Umsetzung, und einige haben das Gesetz noch nicht einmal umgesetzt.

Die EZB als oberste Bankenaufsichtsbehörde befindet sich dabei in einer Zwickmühle, denn die gesetzlichen Diskrepanzen haben es in sich: In einigen Staaten sind anhängige Gerichtsverfahren gegen einen potentiellen Bankvorstand kein Grund ihn abzulehnen. In anderen schon. Ähnlich verhält es sich bei der Frage der Vorstrafen. Dazu kommt: Mancherorts kann der Bankvorstand berufen werden, bevor die Prüfung abgeschlossen ist - in anderen ist eine ex-ante-Prüfung vorgeschrieben.

Die EZB fordert seit Jahren eine einheitliche Regulierung - vergebens. Vor allem die Usancen in Italien halten die Aufsehern für problematisch. Dort seien sogar Bankvorstände im Amt, die seit Jahren in endlosen Gerichtsverfahren verwickelt sind. Nun will die Notenbank durchgreifen. "Die EZB wird Lücken schließen, indem sie die Banken durch strengere Eignungsprüfungen enger begleitet", sagte EZB-Aufseher Mersch. "Außerdem werden wir noch sorgfältiger prüfen, ob Fakten vorliegen, die negative Auswirkungen auf den Leumund der betreffenden Person haben könnten. Dies können etwa Vorstrafen oder laufende Gerichts- oder Verwaltungsverfahren sein".

Die Notenbank reagiert mit dieser Maßnahme auch auf öffentliche Kritik. Seit ihrer Gründung 2014 hat die Behörde 12 500 Personen geprüft und als Vorstand oder Aufsichtsrat einer Bank die Eignung zugesprochen. Offiziell abgelehnt wurde niemand, was den Eindruck verstärkte, hier werde nicht streng genug geprüft. Zumal es in der Vergangenheit genug Skandale gab, in denen Bankmanager keine gute Figur gemacht haben. Andrea Enria, Chef der EZB-Bankenaufsicht, geht in einem Antwortschreiben an das Europäische Parlament auf diese Kritik ein: Die meisten unliebsamen Kandidaten würden ihre Bewerbung zurückziehen, wenn sie merkten, dass die Behörde gegen sie ist. Insgesamt habe es 50 solcher freiwilligen Rückzüge gegeben. In elf Fällen davon habe die EZB sogar Bedenken gehabt - wegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: