EZB:Aufsicht warnt: Banken haben Führungsprobleme

EZB: Managementversagen und laxe Risikokontrollen waren in der Vergangenheit oft der Ursprung von Finanzkrisen - auch in der Bankenstadt Frankfurt.

Managementversagen und laxe Risikokontrollen waren in der Vergangenheit oft der Ursprung von Finanzkrisen - auch in der Bankenstadt Frankfurt.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Die EZB-Aufsicht hält Europas Bankensektor derzeit für stabil - bemängelt jedoch schlechte interne Kontrollen durch die Aufsichtsräte.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn man auf die Aktienkurse schaut, könnte man meinen, Europas Banken stehen goldene Zeiten bevor. Als wäre die Zeit des jahrelangen Siechtums vorbei, sind die Kurse der hiesigen Kreditinstitute zuletzt rasant gestiegen. Die Angst, dass die Corona-Pandemie eine neue Finanzkrise auslöst, ist inzwischen verflogen. Sogar die Aufsicht gibt sich optimistisch. "Im Großen und Ganzen sind wir mit dem bisherigen Vorgehen der Banken während der Pandemie zufrieden", sagte Andrea Enria, Chef der europäischen EZB-Bankenaufsicht am Donnerstag in Frankfurt. Der Italiener verantwortet seit drei Jahren die Überwachung der rund 120 größten Banken in Europa.

Eine Aussage von Enria aber ließ aufhorchen. Denn seiner Meinung nach sind viele Banken der Eurozone immer noch schlecht geführt. Ruft man sich in Erinnerung, dass Managementversagen und laxe Risikokontrolle bei Finanzgeschäften in der Vergangenheit oft der Ursprung von Finanzkrisen waren, klingen die Aussagen von Enria alarmierend. "Zum einen ist die Aufsichtsfunktion in den Banken häufig nicht in der Lage, das Management kritisch zu hinterfragen", sagte Enria. Mit anderen Worten: Viele Aufsichtsräte machen anscheinend keinen guten Job, womöglich, weil ihnen das Wissen fehlt oder weil sie ihre Aufgaben nicht ernst genug nehmen.

Laut Enria gebe es in den Leitungsebenen der Banken noch zu viele Interessenskonflikte

Die EZB machte den Banken im vergangenen Jahr im Bereich "interne Governance" sogar die meisten aufsichtlichen Ansagen. Dort liegt also am meisten im Argen. Zu den Kritikpunkten gehört auch die Personalausstattung "der zweiten Verteidigungslinie" bei den Kreditinstituten. Dem Stab fehle es oft an Quantität, Qualität und Status. Das bedeutet: Die Compliance-Abteilungen, die darauf schauen, dass die Banken keine kriminellen Geschäfte machen und sich an die Regeln halten, scheinen wegen Personalknappheit, Durchsetzungskraft und Qualifikationsmängeln nicht effektiv arbeiten zu können. Darüber hinaus gebe es, so Enria, in den Leitungsebenen immer noch zu viele "tatsächliche oder potenzielle Interessenkonflikte". Was das sein könnte, sagt er nicht, aber solche Konflikte können etwa entstehen, wenn eine Führungskraft nebenbei privat Geschäfte mit einem Kunden macht, wie es jüngst bei der Deutschen Bank passiert ist. Das ist zwar verboten, kommt aber immer wieder vor.

"All dies schwächt die Widerstandskraft der Banken. Es ist seit Langem bekannt, dass Diversität in den Führungsetagen entscheidend zu effektiver Governance beiträgt", sagte Enria mit Blick auf die Frage, wie viel Frauen zum Beispiel einem Gremium angehören. "Wir sehen da tatsächlich nicht wirklich eine Verbesserung. Klar, das dauert manchmal, bis im Aufsichtsrat die Leute ausgetauscht sind, aber Banken müssen das besser planen, das ist wirklich essentiell." Gut möglich, dass Enria dabei auch Deutschland im Kopf hat. Mit Blick auf die Deutsche Bank hatten die Aufseher zuletzt durchblicken lassen, das Geldhaus habe zu spät mit der Suche nach einem Nachfolger für die Aufsichtsratsspitze begonnen.

Auch die bevorstehende Zinswende beschäftigt die Bankenaufsicht. Im EZB-Rat nimmt der Druck zu, den Leitzins angesichts der hohen Inflationsraten noch in diesem Jahr zu erhöhen. Dafür sprach sich jedenfalls gerade Bundesbankpräsident Joachim Nagel in der Zeit aus, sofern sich das Bild bis März nicht ändern sollte. Der EZB-Chefvolkswirt Philip Lane geht bislang noch davon aus, dass sich die Inflationsdynamik im Laufe des Jahres abschwächen wird, doch die Kritik im EZB-Rat an dessen Prognosemodellen wächst.

Die Inflation in der Eurozone betrug im Januar 5,1 Prozent und war damit so hoch wie noch nie in der Geschichte der Währungsunion. "In den Banken gibt es viele Mitarbeiter, die nie erlebt haben, wie es ist mit Inflation zu arbeiten", sagte Enria. Man müsse abwarten, wie sich dieser Mangel an Erfahrung auswirke. "Insgesamt denken wir zwar, dass die höhere Inflation kein Problem für die Banken darstellt", sagte Enria. Wenn allerdings mit den steigenden Preisen das Wachstum abnehme, könne das durchaus negative Konsequenzen haben. "Es gibt viele Wege, auf denen die Bilanz durch Inflation getroffen werden kann."

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