Geldinstitute:EZB dringt offenbar auf eine europäische Bad Bank

Bankenskyline Frankfurt

Die Bankenaufsicht der EZB hat viele Kapitalregeln gelockert: Die EU-Kommission erlaubt es Regierungen derzeit, ihre Banken mit Steuergeld zu retten.

(Foto: dpa)
  • Nach der Finanzkrise war klar, dass Steuerzahler nicht mehr für in Schieflage geratene Banken haften sollen.
  • Die Corona-Krise zeigt nun, dass es nicht weit her ist mit den Vorsätzen.
  • Praktisch mit Tag eins der Pandemie hat die EU Grundprinzipien über Bord geworfen, die eigentlich für die Bewältigung der nächsten wirtschaftlichen Katastrophe konzipiert waren.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Was waren das nicht für stolze Pläne, die Politiker und Aufsichtsbehörden nach der großen Euro-Schuldenkrise 2012 geschmiedet haben: Nie wieder sollten Steuerzahler für marode Banken haften. Stattdessen sollten die Eigentümer und Gläubiger der Finanzinstitute ihren Einsatz verlieren, wenn sich die Bank verzockt hatte. Und kranke Geldhäuser, die sich etwa bei der Kreditvergabe übernommen hatten, sollten vom Markt verschwinden. Die EU rief dafür 2015 mit dem Single Resolution Board (SRB) in Brüssel eigens eine europäische Abwicklungsbehörde ins Leben. Banken, so das Mantra, sollten widerstandsfähig sein, auch in schlechten Zeiten, oder dichtgemacht werden.

Die Corona-Krise zeigt nun, dass es nicht weit her ist mit den Vorsätzen. Die Bankenaufsicht der EZB hat viele Kapitalregeln gelockert. Die EU-Kommission erlaubt es den Regierungen mit Hinweis auf die Corona-Krise nun, ihre Banken mit Steuergeld zu retten - eine Abwicklung ist nicht mehr vorgesehen; die zuständige Brüsseler Behörde ist abgeklemmt vom Geschehen. Praktisch mit Tag eins der Pandemie hat die EU in Sachen Bankenregulierung Grundprinzipien über Bord geworfen, die eigentlich für die Bewältigung der nächsten wirtschaftlichen Katastrophe konzipiert waren. Nun folgt der nächste Streich: Es gibt laut Financial Times Diskussionen zwischen EZB und EU-Kommission zur möglichen Gründung einer Bad Bank, in der die vielen faulen Kredite aus der Vorzeit weggeschlossen werden sollen.

Der EU droht eine neue Bankenkrise

Eine Bad Bank ist eine Abwicklungseinheit, in welche die Geldhäuser ihre faulen Kredite auslagern können - also Kredite, für die sie keine Zinsen mehr bekommen und die vielleicht nicht mehr zurückgezahlt werden. Mögliche Verluste aus diesen Krediten müssen die Banken erst später auf die Bücher nehmen, weswegen es ihnen leichter fällt, neue Darlehen auszureichen und so die Wirtschaft am Laufen zu halten. Denn Institute mit vielen notleidenden Krediten müssen höhere Rückstellungen bilden. Das drückt den Gewinn, weswegen sie sich selbst teurer refinanzieren müssen. Das wiederum kann die Vergabe neuer Darlehen bremsen, was wiederum vor allem kleine und mittlere Unternehmen trifft, die sich nicht so leicht über Kapitalmarktanleihen finanzieren können. Zu viele faule Kredite senken das Wirtschaftswachstum, sagt zumindest der Internationale Währungsfonds (IWF).

Die Corona-Krise, das scheint ausgemacht, wird auch in Europa eine schwere Rezession auslösen, was dazu führt, dass Firmen und Haushalte einige Kredite nicht mehr bedienen können. Je nach Ausfallvolumen droht der EU dann eine neue Bankenkrise, vor allem in den Ländern Zypern, Griechenland und Italien, wo die Geldhäuser noch unter hohen Belastungen aus Zeiten der Finanzkrise leiden. Eine erneute Eskalation möchte die EU vermeiden.

Die Ideen für eine Bad Bank speisen sich deshalb aus den Erfahrungen der Finanzkrise: Ausgerechnet die Amerikaner, ansonsten Anhänger der reinen Marktwirtschaft, bekämpften damals die Krise mit einem staatswirtschaftlichen Eingriff der Superklasse: Das Tarp - Troubled Asset Relief Program - war ein 700 Milliarden Dollar schweres Rettungspaket für Banken. Die Regierung zwang den Instituten staatliches Eigenkapital auf, im Gegenzug konnten diese ihre faulen Kredite an eine Bad Bank auslagern. Ein Großteil der Wertpapiere hat sich seitdem erholt, sodass das Programm mit einem Plus abschloss. Diesem Vorgehen verdanken die amerikanischen Banken wahrscheinlich auch ihren fast uneinholbaren Vorsprung vor den europäischen Banken. Einige Experten sind daher der Meinung, dass man bei der letzten Krise in Europa entschiedener hätte vorgehen müssen. Zwar gab es in den Mitgliedsländern vereinzelt Bad Banks, auch in Deutschland, aber eben nicht europaweit. In Europa begann die Diskussion um eine Bad Bank erst lange nach der Krise. Andrea Enria, der heutige Chef der EZB-Bankenaufsicht, schlug vor zwei Jahren eine gemeinsame "Auslagerungsstelle" für Problemkredite vor, ohne Gehör zu finden. Nun hat er den Vorschlag wohl wieder aus der Schublade geholt.

Ob er umgesetzt wird, ist offen. Das gilt auch für die Frage, ob eine Bad Bank bei der EZB oder beim Euro-Rettungsfonds ESM angesiedelt würde. Europas Bankenlandschaft ist sehr heterogen, in Deutschland und Frankreich etwa sind die Quoten der faulen Kredite deutlich geringer als etwa in Zypern und Italien. Bei der EZB und dem ESM folgt die Haftung dem Kapitalschlüssel, der sich an der Größe der Volkswirtschaft orientiert. Deutschland steht da mit 27 Prozent an der Spitze. Würde das auch für Europas Bad Bank gelten? Bei der Frage, ob die EU faule Kredite vergemeinschaften möchte, droht politischer Ärger.

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