Europäische Zentralbank:Die große Geldschwemme geht zu Ende

Europäische Zentralbank

Ein Eurozeichen wird auf die Fassade der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt projiziert.

(Foto: Boris Roessler/dpa)
  • Die EZB will den Ankauf neuer Anleihen zum Jahresende einstellen. Trotzdem bleibt sie auch in den kommenden Jahren der wichtigste Akteur am Anleihenmarkt.
  • Die Leitzinsen bleiben noch "über den Sommer 2019 hinweg" unverändert.
  • Deshalb müssen sich Sparer in Deutschland auch künftig - unter Berücksichtigung der Inflation - mit realen Verlusten abfinden.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen ersten vorsichtigen Schritt getan, um ihre lockere Geldpolitik ein wenig zu straffen. Die Währungshüter beschlossen am Donnerstag, den Ankauf neuer Anleihen zum Jahresende einzustellen. Die Entscheidung ist von außerordentlicher Bedeutung, nachdem die Notenbank seit 2015 insgesamt 2,6 Billionen Euro ins Finanzsystem gepumpt hat.

Der Beschluss darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EZB mit der Geldversorgung auch weiterhin sehr großzügig umgehen wird. Zum einen möchte die Notenbank auslaufende Anleihen auch künftig ersetzen. Beispiel: Wenn eine Bundesanleihe nach Ende der Laufzeit zurückbezahlt wird, steckt die Zentralbank das eingenommene Geld in einen neuen Schuldschein. Somit bleibt die EZB auch in den kommenden Jahren der wichtigste Akteur am Anleihenmarkt. Zum anderen bleiben die Leitzinsen noch "über den Sommer 2019 hinweg" unverändert, wie Draghi sagte. Damit liegt das Ende der Niedrigzinsphase immer noch in weiter Ferne.

Deshalb müssen sich Sparer in Deutschland auch künftig - unter Berücksichtigung der Inflation - mit realen Verlusten abfinden. Aktuell bieten hiesige Banken für eine Festgeldanlage über zehn Jahre im Schnitt ein Prozent Rendite, so Daten der FMH-Finanzberatung. Zum Vergleich: Im November lag die Inflationsrate in Deutschland bei 2,3 Prozent. Über fünf Jahre beträgt der durchschnittliche Zinssatz auf dem Sparkonto bei 0,6 Prozent, auf zwei Jahre sind es 0,3 Prozent, Tagesgeld rentiert mit 0,1 Prozent. Doch selbst wenn die EZB im Herbst 2019 den Leitzins von null Prozent erhöhen sollte, käme es nicht sofort und automatisch zu einer Erhöhung der Sparzinsen. Erst wenn die EZB den Strafzins auf Einlagen abschaffen würde, könnte sich der Wind drehen. Auf der anderen Seite sind die Immobilienfinanzierungen in Deutschland weiter sehr günstig. Die Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kosten im Schnitt 1,35, so die FMH-Finanzberatung.

Das billige Geld der EZB hat Europas Wirtschaft zurück auf Wachstumskurs gebracht, so stark wie seit 2007 nicht mehr. Doch nun ebbt die Euphorie langsam ab. Draghi warnte am Donnerstag vor "Unsicherheiten", etwa der Gefahr von Protektionismus, der Lage in den Schwellenländern und zunehmender Unruhe an den Finanzmärkten. An den Börsen sind die Aktienkurse zuletzt deutlich gesunken - und das trotz der Nullzinspolitik durch die Notenbank, die Anleger förmlich dazu zwang, in Aktien zu investieren.

Notenbanker zunehmend besorgt über die weitere wirtschaftliche Entwicklung

Seit dem Sommer sind die ökonomischen Daten schlechter als erwartet ausgefallen. So ist die Wirtschaft im Euroraum im dritten Quartal nur wenig gewachsen. Italien, das sich mit der EU-Kommission einen Streit über die Haushaltspolitik liefert, steckt mit einem Fuß in der Rezession. Auch in Deutschland nimmt der Schwung ab. Die EZB musste in ihren aktuellen Prognosen die Wachstumserwartungen leicht senken. Es ist eine schwer durchschaubare Situation. "Wir haben weiterhin Zuversicht", sagte Draghi, "doch wir sind zunehmend vorsichtig."

Hinter den sorgsam gewählten Worten des EZB-Chefs verbirgt sich ein Dilemma für die Notenbank: Weil Draghi erst jetzt anfängt, die lockere Geldpolitik zu straffen, fragen sich viele, was die EZB machen würde, wenn Europa schneller als erwartet in eine neue Wirtschaftskrise rutscht. Was könnte die EZB in diesem Fall überhaupt tun, wenn der Leitzins dann immer noch bei null Prozent liegt?

Draghi betonte, die EZB habe genügend Möglichkeiten, auf eine neue Krise zu reagieren. Im Ernstfall könnte und müsste sie dann wohl das Anleihekaufprogramm reaktivieren. Durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshof, in dem die umstrittenen Ankäufe als rechtens eingestuft wurden, hat die EZB auf diesem Feld nun mehr Bewegungsfreiheit. Die EZB könnte den Bankensektor auch mit neuen Geldspritzen versorgen. Auch dieses Thema wurde im EZB-Rat bereits angesprochen.

Unterdessen hat das billige Geld auch negative Nebenwirkungen. Es drohen Preisblasen. Die Aktienkurse sind bis Anfang des Jahres auf Höchststand gestiegen. Die billigen Kredite haben dazu geführt, dass die Immobilienpreise in Deutschland massiv gestiegen sind. Vor allem in den Ballungszentren sind Mieten und Grundstückspreise für Normalverdiener unerschwinglich geworden. Die EZB musste sich zuletzt die Frage gefallen lassen, ob ihre Geldpolitik die Reichen nur noch reicher mache. Die Notenbank argumentiert, dass der Wirtschaftsaufschwung allen nutze, vor allem denen, die nicht mehr arbeitslos seien und einen Job gefunden hätten.

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