Süddeutsche Zeitung

Untersuchung:Harte Strafe gegen Wirtschaftsprüfer EY im Wirecard-Skandal

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Das Unternehmen darf zwei Jahre lang keine neuen Mandate bei Konzernen von öffentlichem Interesse übernehmen. Hinzu kommen hohe Geldstrafen.

Von Stephan Radomsky und Markus Zydra

Es ist einer der größten Wirtschaftsskandale im wiedervereinigten Deutschland: der Untergang des einstigen Dax-Konzerns und Börsenstars Wirecard. Und mit im Zentrum stehen diejenigen, die genau so etwas eigentlich hätten verhindern sollen: die Wirtschaftsprüfer von EY. Ihnen wirft die staatliche Aufsichtsstelle Apas in einer am Montag bekannt gewordenen Entscheidung schwere Versäumnisse in ihrer Arbeit vor - und hat deshalb harte Strafen verhängt.

Man sehe "Berufspflichtverletzungen als erwiesen an", deshalb seien Sanktionen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft selbst und fünf ihrer Wirtschaftsprüfer verhängt worden. Demnach soll EY zwei Jahre lang keine neuen Prüfungsmandate bei Unternehmen von öffentlichem Interesse übernehmen. Unter das Verbot fielen alle börsennotierten Unternehmen sowie der überwiegende Teil des Finanzsektors aus Banken und Versicherungen. Bestehende Mandate der Wirtschaftsprüfer wären aber nicht betroffen. Hinzu kämen Geldbußen für EY als Konzern in Höhe von 500 000 Euro, außerdem sollen fünf Wirtschaftsprüfer zwischen 23 000 bis 300 000 Euro zahlen. Zuerst hatte das Handelsblatt über die Entscheidung berichtet.

Von EY hieß es, man selbst sei von der Apas noch nicht über die Details der Entscheidung informiert worden. Die Bescheide der Behörde sollen demnächst erst rausgehen. Man habe aber, so EY, "während der gesamten Untersuchung vollumfänglich mit der Apas kooperiert". Auch seien seit 2020 umfassende Maßnahmen ergriffen worden, um Prüfungsqualität und Risikomanagement zu verbessern. Zudem seien ein neues Führungsteam und neue Aufsichtsstrukturen installiert worden.

Rechtskräftig ist die Apas-Entscheidung noch nicht. Die Betroffenen können gegen die Bescheide noch Einspruch einlegen. Dann müsste der fünfköpfige sogenannte "Gemeinsame Ausschuss" unter Vorsitz des Apas-Chefs die Bescheide noch einmal prüfen. Anschließend wäre dann auch noch der Weg durch die gerichtlichen Instanzen offen, bis hin zum Bundesgerichtshof. Es könnte also womöglich noch Jahre dauern, bis eine Strafe wirklich rechtskräftig wird.

Die Entscheidung der Beschlusskammer betreffe ausschließlich die Konsequenzen für festgestelltes berufliches Fehlverhalten im vorliegenden Fall, hieß es. Sie habe aber keine rechtliche Bindungswirkung für andere Verfahren im Zusammenhang mit Wirecard. So laufen beispielsweise mehrere Klagen geschädigter Anleger, die vom früheren Wirtschaftsprüfer Schadenersatz fordern. Zuletzt hatte zudem Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé einen juristischen Sieg gegen EY errungen und Einsicht in die Akten der Wirtschaftsprüfer erstritten.

Wirecard ging im Juni 2020 pleite, derzeit läuft in München ein Strafverfahren

Wirecard war im Frühsommer 2020 zusammengebrochen, als sich herausstellte, dass fast zwei Milliarden Euro auf Treuhandkonten in Asien schlicht nicht existierten und große Teile des vermeintlich äußerst gewinnträchtigen Geschäfts mit der Abwicklung von Zahlungen im Internet womöglich frei erfunden waren. Gläubiger und Aktionäre erlitten durch die Pleite einen Schaden in Milliardenhöhe, mehr als 5000 Beschäftigte verloren ihre Jobs.

Den Skandal ins Rollen gebracht hatten schließlich nicht die eigentlich zuständigen Wirtschaftsprüfer, sondern vor allem eine Reihe von investigativen Recherchen, unter anderem der Financial Times. Der Druck wurde schließlich so groß, dass der Konzern selbst eine zusätzliche Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG initiierte - die schließlich zum Zusammenbruch führte. EY dagegen hatte zehn Jahre lang die Abschlüsse von Wirecard anstandslos testiert und damit einen wichtigen Beitrag geleistet zum Aufstieg des Konzerns aus der Bedeutungslosigkeit in die erste Börsen-Liga.

Wie die ganze Sache ausgeht, könnte auch von einem anderen Verfahren abhängen: dem Strafprozess gegen Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und zwei seiner früheren Untergebenen, der seit fast vier Monaten in München läuft. Hier geht es zwar vor allem die Frage der persönlichen Schuld der Manager. Dennoch könnten die Akten und Aussagen weitere Einblicke liefern in die Arbeit und die Versäumnisse der Wirtschaftsprüfer.

Allerdings hatte auch die Apas selbst nicht immer eine gute Figur abgegeben im Wirecard-Skandal. So musste der damalige Chef der Behörde, Ralf Bose, vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags einräumen, dass er selbst zwischen April und Mai 2020 mit Aktien des Skandalkonzerns gehandelt hatte. Das war nur wenige Monate vor dem Zusammenbruch von Wirecard, zu einem Zeitpunkt, wo immer neuer Berichte um Bilanzmanipulationen auftauchten. Bose verkaufte die Aktien demnach am gleichen Tag, an dem die Finanzaufsicht Bafin die Apas formal über den Inhalt des KPMG-Sonderberichts und damit über das Ausmaß der Probleme bei Wirecard informierte. Kurz nach der Sitzung wurde Bose im Dezember 2020 als Apas-Chef freigestellt.

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