Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:Kritischer Blick auf die Prüfer

Bisher kontrolliert EY die Bilanzen der Commerzbank. Die Wirtschaftsprüfer sind aber tief verwickelt in den Wirecard-Skandal. Nun berät die Bank einen Wechsel.

Von Herbert Fromme und Meike Schreiber, Frankfurt/Köln

Nicht nur in der Politik wird der Ton rauer in Sachen Wirecard-Debakel - auch für EY, den langjährigen Wirtschaftsprüfer des insolventen Zahlungsdienstleisters aus Aschheim, wird die Lage spürbar unangenehm. Nach SZ-Informationen beschäftigt sich der Aufsichtsrat der Commerzbank auf seiner Sitzung an diesem Mittwoch mit der Frage, ob die Bank die Konzernzahlen weiter von EY testieren lassen oder ob man der Hauptversammlung nicht besser einen Prüferwechsel empfehlen sollte.

Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen - man habe aber Sorge, dass der Wirecard-Skandal EY in Schwierigkeiten bringen, und dass dies die Prüfung der Commerzbank beeinträchtigen könne, sagte ein Insider. Eine Sprecherin des Instituts wollte sich auf Anfrage ebenso wenig dazu äußern wie EY.

Dass die Commerzbank das Thema überhaupt im Aufsichtsrat bespricht, dürfte bei den Wirtschaftsprüfern aber als Warnsignal ankommen. Es ist aufwendig und rechtlich schwierig, außerplanmäßig den Anbieter zu wechseln. Unternehmen brauchen dafür die Zustimmung der Hauptversammlung und einen guten Grund. Der Wirecard-Skandal könnte damit für EY über den Reputationsschaden hinaus auch wirtschaftliche Folgen haben.

Auch bei der staatlichen KfW ist man EY gegenüber skeptisch, heißt es

Seit der Wirecard-Pleite im Juni stellt sich die Frage, warum die Kontrolleure den Schwindel nicht früher entdeckt haben. Offen ist auch, welche Folgen die nun eingereichten Schadenersatzklagen von Anlegern für deren Geschäft haben. EY sagt dazu, "konspirativer Betrug" gehe oft mit umfangreichen Anstrengungen einher. Auch mit umfangreich erweiterten Prüfungshandlungen sei es unter Umständen nicht möglich, das aufzudecken. Im Juni hatten sich in der Bilanz des Zahlungskonzerns 1,9 Milliarden Euro in Luft aufgelöst, woraufhin Wirecard Insolvenz anmelden musste. EY hatte die Abschlüsse zuvor Jahr um Jahr testiert.

Eigentlich waren die Prüfer von EY zuletzt überaus erfolgreich: Das Unternehmen prüft die Bilanzen von acht der dreißig Dax-Konzerne. Wie KPMG, PwC und Deloitte, die drei anderen weltweit tätigen Anbieter auf dem Markt, verdient EY inzwischen zwar mehr Geld mit der Beratung von Firmen; die Prüfungsmandate sind aber dennoch wichtig.

Ob EY nach dem Wirecard-Debakel an diese Erfolge anschließen kann, wird sich nun zeigen. Laut Handelsblatt haben auch die Mitglieder des Verwaltungsrats der staatlichen Förderbank KfW "Bauchschmerzen", EY zu berücksichtigen, wenn dort in Kürze ein Prüferwechsel ansteht. Eine Sprecherin der KfW wollte sich nicht zum laufenden Verfahren äußern. Auch die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, will "entgegen der bisherigen Präferenz" EY nun nicht mehr als Abschlussprüfer für 2020 vorschlagen, wie am Dienstag aus der Einladung zur Hauptversammlung hervorging. "Diese Entscheidung wurde vorsorglich, einvernehmlich und unter sorgfältiger Abwägung getroffen, um mögliche zukünftige Konflikte zu vermeiden, die sich aus EYs Rolle als Abschlussprüfer der Wirecard AG ergeben können", sagte ein DWS-Sprecher. Die Fondsgesellschaft prüfe rechtliche Schritte gegen Wirecard und andere involvierte Parteien. Die DWS hatte viel Geld ihrer Anleger in Wirecard investiert. Andere Dax-Firmen halten auf Nachfrage an EY fest, beziehungsweise äußerten sich nicht. Bei Commerzbank und KfW mag auch eine Rolle spielen, dass beide als Kreditgeber viel Geld mit Wirecard verloren haben: die KfW wohl fast 100 Millionen Euro, die Commerzbank rund 175 Millionen.

Dass EY nun hohe Schadenersatzzahlungen leisten muss, ist zwar unwahrscheinlich, in Deutschland ist die Haftung der Prüfer auf vier Millionen Euro begrenzt. Die Prüfer haften auch nur gegenüber dem Unternehmen, das sie beauftragt - nicht gegenüber Dritten. Versuche von Aktionären, Schadenersatz einzuklagen, waren in der Vergangenheit daher nur selten erfolgreich.

Dennoch haben KPMG und PwC teils hohe Summen an Geschädigte gezahlt, um Klagen zu vermeiden. Die politischen und berufsrechtlichen Folgen für die Bilanzexperten können zudem gravierend sein.

Außerdem dürften viele in der Branche noch das Schicksal der US-Wirtschaftsprüfungsfirma Arthur Andersen im Kopf haben: Sie hatte die Bücher des betrügerischen Energiekonzerns Enron geprüft und keine Unregelmäßigkeiten gefunden. Als der Skandal aufflog, sollen die Prüfer Dokumente geschreddert haben. 2002 wurde Arthur Andersen wegen Behinderung der Justiz verurteilt. Zwar wurde das Urteil 2005 aufgehoben - aber da war die Firma schon Geschichte: Weil die US-Börsenaufsicht SEC keine Prüfberichte von verurteilten Unternehmen annimmt, gab Arthur Andersen 2002 seine Lizenz zurück.

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SZ vom 02.09.2020/tpa
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