Exportüberschuss:Schäuble darf jetzt nicht den Trump machen

Exportüberschuss: Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und der designierte US-Präsident Donald Trump: Zwei Politiker mit Ansichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und der designierte US-Präsident Donald Trump: Zwei Politiker mit Ansichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.

(Foto: dpa; AFP)

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der künftige US-Präsident auf dem deutschen Exportüberschuss herumhackt. Der ist zwar tatsächlich zu hoch - Trumps Linie zu folgen wäre jedoch fatal.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Wolfgang Schäuble hat sich in den letzten Jahren viel Kritik anhören müssen, wenn die Industriestaaten über den Zustand der Weltwirtschaft berieten. Deutschland spare zu viel, halte sein Geld zu sehr beisammen, überschwemme den Rest der Welt mit seinen Exporten, anstatt die Konjunktur im Innern anzukurbeln: den Konsum, die Investitionen. Vor allem die Amerikaner trugen diese Argumente vor.

Was der Bundesfinanzminister von den Vertretern der Obama-Regierung zu hören bekam, dürfte harmlos gewesen sein im Vergleich zu dem, was demnächst die Regierung von Donald Trump bei solchen Treffen vorbringen wird. Denn dieser ist nicht bloß angetreten, um Amerika "wieder groß zu machen", sondern auch, um einen Schwenk in der Wirtschaftspolitik einzuleiten: hin zu einem Staat, der mehr eingreift, mehr steuert und noch mehr versucht, die Ökonomie im Kleinen und im Großen zu lenken.

Schäuble, und mit ihm der konservative Teil der Bundesregierung, stehen für eine andere Politik. Sie halten nichts davon, die Steuern für Reiche und Unternehmen massiv zu senken, so wie es Trump vorhat. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister halten (anders als die SPD) auch nichts davon, die Wirtschaft mit großen Investitionsprogrammen anzukurbeln und dafür notfalls die Schulden zu erhöhen - stattdessen wollen sie mit den Überschüssen, die sie erwirtschaftet haben, die Schulden abbauen. Und die Bundesregierung (in dem Fall auch die SPD) hält gar nichts davon, die Zölle zu erhöhen, wie es Trump angedroht hat, um die globalen Warenströme umzulenken.

Nicht mehr lange, dann dürfte Trump auch Deutschland ins Visier nehmen

In seinem Furor hat Trump bislang die naheliegenden Ziele angegriffen: Mexiko, das mit seinen Fabriken direkt vor Amerikas Haustür liegt; und das kommunistische China, das als neuer Erzfeind herhalten muss, solange Trump mit Wladimir Putin balzt. Doch Deutschland dürfte ebenfalls noch ins Visier der neuen Regierung in Washington geraten, auch wenn die Dinge hier ein wenig vertrackter sind und sich die Angelegenheit deshalb nicht so leicht in jene 140 Zeichen pressen lässt, die eine Twitter-Nachricht bietet.

Kein Land der Welt weist derzeit einen höheren Exportüberschuss auf als Deutschland; nicht einmal China. Der Grund dafür ist weniger in den deutschen Ausfuhren zu suchen (hier liegt die Volksrepublik seit Jahren klar vorn), sondern darin, dass die Bundesrepublik deutlich weniger importiert als China. Bei den USA verhält es sich genau umgekehrt, ihre Exportbilanz ist tief im Minus. Die Amerikaner verdienen also mit dem Verkauf von Waren im Ausland weit weniger, als sie für den Import von Autos, Maschinen oder Elektronik ausgeben, sie leben über ihre Verhältnisse und müssen sich das Geld für die vielen Einkäufe anderswo auf der Welt leihen - nicht zuletzt in Deutschland und China.

Trumps erklärtes Ziel ist es, dies zu ändern. Und er kann sich dabei durchaus auf namhafte Unterstützer berufen (auch wenn er dies in seinen knappen Mitteilungen bislang nicht tut). Der Internationale Währungsfonds, die OECD, die EU-Kommission und viele namhafte Ökonomen: Alle warnen, dass es gewaltige Risiken für die Weltwirtschaft birgt, wenn wichtige Volkswirtschaften entweder zu viel exportieren - oder zu wenig; und wenn dies einhergeht mit gigantischen, grenzüberschreitenden Geldströmen, mit denen die Nationen sich gegenseitig finanzieren. Eine ökonomische Faustregel besagt, dass ein Exportüberschuss noch gerade tolerabel ist, wenn er sechs Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung nicht übersteigt; der deutsche Überschuss aber beträgt mittlerweile fast neun Prozent.

Jetzt wäre der idale Zeitpunkt für Investitionen

Merkel und Schäuble sind sich dieses Problems durchaus bewusst. Schon mitten in der Finanzkrise im Herbst 2008, als es zunächst darum ging, taumelnde Banken zu retten, trieb die Kanzlerin die Frage um, wie man mit den sogenannten "globalen Ungleichgewichten" im Handel und bei den Finanzströmen umgehen soll. Doch die Bundesregierung hat seither zu wenig dagegen getan; und sie unternimmt immer noch zu wenig.

Dabei böte sich gerade jetzt, angesichts der Überschüsse in Schäubles Etat, eine ideale Gelegenheit: Anstatt weitere Schulden zu tilgen, sollte die Regierung dieses Geld (und noch mehr) für zusätzliche Investitionen hernehmen, es in Schulen und Universitäten stecken, in Verkehrswege und die digitale Infrastruktur. Dies würde die Konjunktur ankurbeln und dazu führen, dass die Deutschen mehr importieren - und zudem dabei helfen, Deutschland im Kampf um die digitale Zukunft zu stärken (übrigens auch im Wettrennen mit dem Silicon Valley).

Vor allem aber: Die Bundesrepublik würde dadurch ihrer wirtschaftspolitischen Verantwortung gerecht werden, die weit über die Grenzen des Landes hinausreicht. Diese Verantwortung betrifft nicht zuletzt auch Europa, das noch immer unter der Wirtschaftskrise leidet. Die Regierung sollte daher den Kurs der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik klug korrigieren.

Irrwitzige Steuersenkungen führen zu nichts

Es kann und darf dabei nicht darum gehen, die Exporte der deutschen Unternehmen künstlich zurückzufahren, wie es gelegentlich diskutiert wird - und wie es Trump in seiner kruden Logik möglicherweise fordern wird. Es kann und darf auch nicht darum gehen, nun nach dem Vorbild des neuen US-Präsidenten (und dem Vorbild von Ronald Reagan in den 1980er-Jahren) die Steuern irrwitzig zu senken und dadurch die Staatsschulden gewaltig in die Höhe zu treiben. Aber der Staat sollte seine Investitionen deutlich erhöhen und zudem Unternehmen steuerlich fördern, sofern sie Jobs, Fabriken und Forschungslabore in Deutschland schaffen.

Eine Steuerreform dagegen, bei der allgemein (und nur zögerlich) die Sätze gesenkt werden, bringt wenig. Wichtiger ist es, die Unternehmen zu animieren, mehr zu investieren - gerade dort, wo es zu wenig Jobs gibt. Bei jener "vergessenen Mitte", die man nicht bloß in Trumps Amerika findet, sondern auch in vielen Teilen Deutschlands, würde eine solche, auf mehr Arbeitsplätze ausgerichtete Politik besser ankommen als der doch sehr abstrakte Schuldenabbau. Und sie ließe sich im Wahljahr gut verkaufen.

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