Export von Informationstechnik:Wirtschaftsnationen wollen Zollsenkungs-Deal schließen

File picture of a container ship being loaded at a terminal in the harbour of Hamburg

Ein Container-Schiff im Hamburger Hafen.

(Foto: Fabian Bimmer/Reuters)
  • 50 Wirtschaftnationen könnten sich an diesem Freitag darauf einigen, die Zölle auf Informationstechnik zu senken.
  • Das wäre für exportierende Länder bedeutend - genauso wie für Kunden. Die Produkte würden wohl günstiger.
  • Die größte Überraschung des Deals wäre dessen Vermittler: die Welthandelsorganisation - eigentlich eine totgesagte Institution.

Von Alexander Hagelüken

Deutsche Verbraucher dürfen damit rechnen, weniger für Spielkonsolen, Videokameras oder den Navigator im Auto bezahlen zu müssen. Deutsche Konzerne können darauf setzen, Medizintechnik oder Elektronik-Chips günstiger ins Ausland zu verkaufen. Und das sind nur ein paar Vorteile eines Handels-Deals über Waren im Wert von jährlich mehr als einer Billion Dollar, auf das sich gut 50 Wirtschaftsnationen der Erde an diesem Freitag endgültig verständigen wollen. Die größte Überraschung bei dem Ganzen stellt aber vielleicht nicht mal die gigantische Summe dar, sondern der Vermittler: Es ist die Welthandelsorganisation WTO.

Also ein Club, den viele schon totgesagt haben. 1999: Die Menschen leben noch im alten Jahrtausend, als sich die WTO schon um ein neues Abkommen bemüht, um den Handel auf der ganzen Welt zu erleichtern. Millionen neuer Arbeitsplätze sollen dabei herausspringen, wenn die mehr als 160 Mitgliedsländer durch niedrigere Zölle und andere Maßnahmen Exporte vereinfachen. Mehr als 15 Jahre später steht das sogenannte Doha-Abkommen immer noch nicht. Weshalb Skeptiker glauben, dass es nie mehr wahrhaft globale Handelsregeln geben wird - und die Zukunft einzelnen Verträgen wie dem hoch umstrittenen TTIP-Abkommen zwischen Europa und den USA gehört.

Deshalb hat es durchaus Symbolwert, falls die WTO an diesem Freitag verkünden kann, dass es mit einem globalen Handels-Abschluss für Konsolen, Chips und andere Elektronika klappt. Es wäre der erste globale Zollsenkungs-Deal seit 18 Jahren. Es wäre das Comeback eines alten Boxers: Hey, es gibt mich noch.

Für Europas Konzerne wäre der Deal bedeutend

An diesem Freitagmittag läuft die Frist für mehr als 50 Wirtschaftsnationen ab, den Zollsenkungs-Deal grundsätzlich anzunehmen. EU-Diplomaten gingen am Donnerstag davon aus, dass China, Japan, USA und die anderen zustimmen. Höchstens kleinere Nachverhandlungen seien zu erwarten. Mehr als drei Jahre haben die Länder, es sind alle großen Hersteller von IT-Produkten, über den Vertrag gefeilscht. Die weitgehende Abschaffung von Zöllen auf 200 Produkte schließt eine Lücke: Waren wie Kopierer, digitale Autoradios, Telekomsatelliten und massenhaft Unterhaltungselektronik fallen erstmals unter das bereits bestehende IT-Abkommen der WTO - es handelt sich um ein Viertel des globalen Handels der Branche. Oder um das gesamte Volumen der weltweiten Exporte von Stahl, Eisen, Textilien und Kleidung. Die Zollsenkungen können auch die WTO-Staaten in Anspruch nehmen, die den Verhandlungen fernblieben.

"Das hier ist ein großer Abschluss", sagt WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo. Er betont nicht nur den Impuls für die Weltwirtschaft, den der Deal liefern würde. Sondern auch, dass der Abschluss zeigen würde, dass seine Organisation der zentrale Platz für wichtige Handelsverträge ist. Nur steht genau das infrage, seit aus dem globalen Doha-Abkommen nichts werden will.

EU-Diplomaten sprechen von einem "positiven Signal", den der IT-Abschluss liefern könnte. Positiv für die Doha-Verhandlungen, bei denen im Dezember in Nairobi zumindest eine Einigung auf ein kleines Paket gelingen soll. Globale Abkommen wie Doha haben gegenüber Einzelverträgen wie TTIP den Vorteil, dass Unternehmen weltweit zu den gleichen Bedingungen und technischen Regeln ihre Produkte anbieten können - und dass die Vereinbarungen auch für ärmere Länder gelten, die oft nicht die Chance auf Einzelverträge haben, weil sie wirtschaftlich zu unbedeutend sind.

Als positiv heben Verhandler hervor, dass mit dem IT-Abschluss eine Einigung vieler großer Nationen in einem schwierigen Bereich geglückt sei - das könnte wegweisend für Projekte wie Doha sein.

Für Europas Konzerne wäre der Deal bedeutend: Die EU-Firmen exportieren in diesem Bereich Waren von 140 Milliarden Euro im Jahr. "Deutsche Firmen können ausländischen Kunden viele Produkte nun günstiger anbieten", sagt Axel Pols, Chefvolkswirt des Branchenverbands Bitkom. Die Einigung beendet auch teilweise jahrelangen Streit darüber, wie Produkte einzustufen sind. So waren Fotokameras bisher schon zollfrei, Videokameras nicht. Da digitale Fotokameras aber immer öfter Videofunktionen haben, gab es ständig Ärger mit Zollbehörden unterschiedlicher Länder. Teilweise mussten deutsche Firmen Rückstellungen bilden, weil sie den Ausgang von Gerichtsverfahren über mögliche Zollzahlungen nicht kannten.

Vorteile hat das Abkommen eindeutig für die Konsumenten. "Produkte wie Videospiele, Konsolen und DVD-Player dürften günstiger werden", sagt Bitkom-Volkswirt Pols. Die EU erhebt bisher einen Einfuhrzoll von 14 Prozent auf solche Unterhaltungselektronik. Das zeigt, um wie viel Produkte billiger werden könnten. Gleichzeitig hat Europa für Fernseher und analoge Autoradios, bei denen es seine verbliebenen Produzenten vor billiger Konkurrenz schützen will, Ausnahmen durchgesetzt. So weit die Vorteile. Ob der Ausstrahleffekt auf das Doha-Abkommen, auf den EU-Diplomaten setzen, wirklich so groß ist? Dazu gibt es auch skeptische Stimmen. "Doha liegen andere Probleme zugrunde", glaubt Matthias Lücke vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Etwa der Streit um Agrarsubventionen. Oder um Investitionsschutz und geistiges Eigentum. "Anders als bei dem spezielleren IT-Abkommen gibt es bei Doha nur einen Deal, wenn viele Fragen auf einmal gelöst sind", sagt der Ökonom Rolf Langhammer.

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