Experte über Kleidung:"Teuer heißt nicht unbedingt fair"

Lesezeit: 2 min

Wer Billigkleidung kauft, nimmt in Kauf, dass dafür Arbeiter in Pakistan oder Bangladesch ausgebeutet werden. Arbeitsrechtsexperte Maik Pflaum erklärt, warum ein Boykott keine Lösung ist.

Interview von Jurik Caspar Iser

SZ.de: Herr Pflaum, ein billiges T-Shirt gibt es schon für wenige Euro. Was müsste ein fair produziertes T-Shirt kosten?

Maik Pflaum: Fair produzierte Kleidung muss nicht viel teurer sein. Die meisten Unternehmen in der Textilindustrie machen unglaubliche Gewinne. Sie könnten sich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen locker leisten. Ich sehe es nicht ein, dass die Gewinne unangetastet bleiben und höhere Kosten in der Produktion an die Kunden weitergegeben werden.

Fair produzierte Kleidung ist aber oft sehr teuer.

Das hat weniger mit Mehrkosten in der Produktion oder höheren Kosten für Bio-Baumwolle zu tun, sondern mit Marktstrategien und Absatzzielen.

Gibt es denn günstige Alternativen?

Für drei Euro bekommt man kein faires T-Shirt. Aber für zehn bis zwölf Euro bekommt man ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle von guter Qualität, das unter fairen Bedingungen produziert wurde. Ich appelliere an die Verbraucher, einmal das T-Shirt für zehn Euro zu kaufen, statt dreimal ein T-Shirt für drei Euro.

Hält denn ein fair produziertes T-Shirt auch länger?

Davon kann man nicht zwangsläufig ausgehen. Es gibt miserable Bio-Qualität und es gibt sehr gute Bio-Produkte. Gleichzeitig darf man nicht davon ausgehen, dass eine Hose für 150 Euro fairer produziert wurde, nur weil sie teurer ist.

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Mit dem Kauf von Billigkleidung nimmt man in Kauf, dass dafür Arbeiter in Billiglohnländern ausgebeutet werden. Aber ist ein Boykott dieser Produkte die Lösung? Und was macht man, wenn man sich keine teurere Biokleidung leisten kann?

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Ist ein Kleidungsstück, auf dem "fair" steht, auch immer fair produziert?

Spätestens bei einem firmeneigenen Label müssen Kunden wirklich extrem kritisch sein. Das ist meistens Alibi und Werbung. Dass H&M die Marke "conscious" entwickelt hat, zeigt, dass der Markt auch für konventionelle Anbieter attraktiv ist. Es gibt aber mittlerweile einen Dschungel von Labels, Marken und Kennzeichnungen, sodass man leicht den Überblick verliert. Viele Unternehmen kommen mit einem schönen Label auf den Markt, ohne wirklich etwas in der Produktion zu verändern. Das nenne ich Greenwashing.

Bringt ein Boykott etwas?

Wir halten uns mit Boykott-Aufrufen zurück, weil wir glauben, dass das ganz wenig bringt. Die Vertreter der Arbeitskräfte sagen uns immer: Bitte kein Boykott-Aufruf, dann verdienen wir ja noch weniger.

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Also im Sinne der Arbeitskräfte lieber billige Kleidung als gar keine Kleidung kaufen?

Nein, das würde ich auch nicht sagen. Billige Kleidung führt in die ökologische Katastrophe. Kleidung muss vor allem wiederverwertbar sein, billige Kleidung ist das oft nicht. Für die Näher wäre es auch besser, wenn sie nur eins statt drei T-Shirts am Tag nähen müssten.

Immer wieder wird über schlechte Arbeitsbedingungen in der Branche berichtet. Textilfabriken sind eingestürzt und abgebrannt. Viele Menschen haben dabei ihr Leben verloren. Gibt es ein grundsätzliches Umdenken bei den Herstellern?

Strukturell hat sich noch sehr wenig geändert. Die Lieferfristen sind immer noch viel zu kurz und die Abnahmepreise zu gering. Deswegen können diese Katastrophen immer wieder passieren. Sie passieren täglich im kleinen und manchmal eben auch im großen Stil. Was sich geändert hat, ist das Bewusstsein der Bevölkerung.

Der gesamten Bevölkerung oder nur das Bewusstsein der gebildeten besser verdienen Gesellschaft?

Die Masse haben wir noch nicht erreicht. Aber es wissen heute viel mehr Menschen über die Probleme in der Bekleidungsindustrie Bescheid, als noch vor einigen Jahren.

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