Expansion:Der Aldi des Sports

Der französische Outdoor-Herstelle Decathlon wächst und wächst aggressiv - und kommt nun auch nach Deutschland. Mit seinem Discounterangebot eröffnet er 2016 in München und Stuttgart die ersten Filialen in Top-Lagen.

Von Uwe Ritzer, Fürth

Zehn Jahre lang ging es hin und her. "Zuerst wollten wir nicht recht, dann bremste Decathlon, dann zogen sich die Verhandlungen mit dem Eigentümer der Immobilie hin, aber nun ist alles unter Dach und Fach", sagt Horst Müller, Wirtschaftsreferent der Stadt Fürth. Noch in diesem Jahr wird sich der französische Sportartikel-Discounter Decathlon in einem Gewerbegebiet im Süden Fürths ansiedeln. Auf 2800 Quadratmetern Verkaufsfläche, die von einem bestehenden Gartencenter abgetrennt werden. "Von dort aus will sich Decathlon die Metropolregion Nürnberg erschließen", sagt Müller und meint damit ein Einzugsgebiet von etwa dreieinhalb Millionen Menschen.

Dabei wird es nicht bleiben. Mit einer aggressiven Expansionsstrategie will Decathlon die Sportartikelbranche hierzulande aufmischen. "Der deutsche ist der interessanteste Markt in Europa, in dem wir daher viel Potenzial sehen", heißt es aus der Deutschland-Zentrale in Plochingen (Baden-Württemberg). Derzeit betreibt Decathlon hierzulande 26 Filialen. Allein 2016 sind nach Informationen der Fachzeitschrift sazsport acht Neueröffnungen geplant, außer in Fürth auch in Berlin, Hamburg, Lübeck, München und Stuttgart.

Vieles spricht dafür, dass es in dem Tempo weitergeht. Nicht umsonst plant Decathlon bis 2017 in Dortmund ein Auslieferungslager mit der Fläche von vier Fußballfeldern zu bauen, allein um die eigenen norddeutschen Standorte zu versorgen. In München am Stachus und in der Stuttgarter Königstraße eröffnen 2016 erstmals Filialen in bester Innenstadtlage. Deutlich kleiner als herkömmliche Decathlon-Märkte werden sie sein, dafür aber digital eng vernetzt mit dem Online-Shop. Funktionieren die "Connect Stores", plane man noch mehr davon, so eine Sprecherin.

Expansion

In 29 Ländern ist Decathlon mit 65 000 Mitarbeitern und mehr als 1000 Filialen vertreten.

Für den klassischen Sportartikel-Fachhandel werde Decathlon immer mehr zu einer Bedrohung, sagt Eva Christian, Handelsexpertin bei sazsport. "Decathlon fährt konsequent die Niedrigpreisschiene. In Frankreich ist der Fachhandel weggebrochen, je stärker Decathlon sich ausgebreitet hat." Aber auch die Sportartikelindustrie müsse hellhörig werden, meint Christian. Decathlon vertreibt 20 Eigenmarken, mit denen 70 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet werden. Für Nike, Adidas und Co. bleibt nur der Rest.

Dabei ist ein Decathlon-Laden gemessen an einem Sport-Scheck oder einem Karstadt-Sport, einem Intersport- oder Sport-2000-Geschäft eine triste Angelegenheit. Eingerichtet meist in einer Gewerbehalle mit langen Regalreihen, das Ambiente spartanisch auf Zweckmäßigkeit und Niedrigpreis gedimmt, mit drahtigen Einkaufswägen und Minimal-Verkaufsservice. Decathlon ist der Aldi oder Media-Markt im Sportartikelhandel, billig, schmucklos - aber sehr erfolgreich. Etwa neun Milliarden Euro Umsatz schlugen für 2015 zu Buche, zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor. In 29 Ländern ist Decathlon mit mehr als 1000 Filialen vertreten. Von 65 000 Mitarbeitern sind 1800 in Deutschland beschäftigt. Decathlon gehört zur Holding der Unternehmerfamilie Mulliez, einer der reichsten Frankreichs.

Die Branche hierzulande übt sich noch in scheinbarer Gelassenheit. "Wir nehmen die Expansionspläne ernst, sehen das Ganze aber sportlich", sagt Kim Roether, Chef des größten Sportartikel-Einkaufsverbundes Intersport. Die 1500 Intersportläden böten nämlich im Gegensatz zum Discounter aus Frankreich in ihrem Erscheinungsbild Einkaufserlebnisse, dazu individuelle Beratung und Service. "Premium findet der Kunde bei uns, nicht bei Decathlon", sagt Roether. "Das ist die Abgrenzung."

Ausblick vom Zeltinneren über den Sound of Raasay Isle of Skye Schottland Großbritannien Europa

Ausblick von einem Zelt auf die Isle of Skye in Schottland: Auch mit Outdoor-Produkten lehrt Decathlon der Konkurrenz das Fürchten.

(Foto: imago)

Er warnt aber auch: "Der Kuchen wird nicht größer." Der Markt stagniert auf hohem Niveau. Gut 7,7 Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich für Sportartikel aus, der Marktforscher GfK errechnete für 2015 nur 0,1 Prozent Plus. Vorsorglich appelliert Roether an die Politik, "dringend umzudenken", restriktiver zu sein bei der Genehmigung neuer Decathlon-Märkte und die Interessen der meist in den Innenstädten angesiedelten Sportfachhändler besser zu berücksichtigen.

Erfahrungsgemäß fruchten solche Appelle kaum, wie das Beispiel Unterhaltungselektronik zeigt. Gutachten wie in Fürth, wonach das Decathlon-Sortiment den Innenstadt-Sportfachhandel kaum tangiere, nennt Intersport-Chef Roether "fragwürdig". Decathlon sei "volkswirtschaftlich betrachtet absolut schädlich".

Differenzierter sehen das die Sportartikelhersteller. Für sie ist der Eigenmarkenproduzent Decathlon Konkurrent, die Handelskette Decathlon aber Partner. Letzteres vor allem. Adidas will Vertriebsvorstand Roland Auschel zufolge mit den 20 größten Händlern weltweit, zu denen Intersport, Decathlon, Footlocker oder Zalando gehören, 2020 zwei Milliarden Umsatz erwirtschaften. Allerdings landen beim Discounter Decathlon nur die günstigen Adidas-Kollektionen.

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