Süddeutsche Zeitung

Autokartell:Daimler kam VW mit Selbstanzeige zuvor

  • Daimler kann darauf hoffen, ohne Strafe davonzukommen, sollte die Brüsseler EU-Kommission Geldbußen wegen verbotener Absprachen verhängen.
  • Nach den EU-Bestimmungen wäre für Volkswagen allenfalls noch ein Strafnachlass in Höhe von maximal 50 Prozent möglich.

Von Thomas Fromm, Georg Mascolo und Klaus Ott

Daimler ist mit seiner Selbstanzeige bei den Wettbewerbsbehörden wegen des mutmaßlichen Kartells in der Autoindustrie der Volkswagen AG zuvorgekommen. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wandte sich der in Stuttgart ansässige Daimler-Konzern deutlich früher als Volkswagen an die Behörden. Damit kann der schwäbische Autohersteller darauf hoffen, ohne Strafe davonzukommen, sollte die Brüsseler EU-Kommission Geldbußen wegen verbotener Absprachen verhängen.

Nach den EU-Bestimmungen wäre für Volkswagen allenfalls noch ein Strafnachlass in Höhe von maximal 50 Prozent möglich. Und das auch nur dann, falls VW zusätzlich zu den von Daimler eingereichten Unterlagen weitere "Beweismittel mit erheblichem Mehrwert" vorgelegt hätte.

Beim Lkw-Kartell war VW schneller

Für beide Konzerne wie auch für den Münchner Hersteller BMW, der ebenfalls Teil eines Kartells gewesen sein soll, geht es um sehr viel Geld. Die EU-Kommission hatte erst 2016 gegen vier Lkw-Unternehmen Geldbußen in Höhe von knapp drei Milliarden Euro verhängt.

Daimler musste 1,1 Milliarden Euro zahlen. Die VW-Tochter MAN, die sich den Behörden als Kronzeuge zur Verfügung gestellt hatte, wurde geschont und ging straffrei aus. Jetzt könnte es umgekehrt kommen.

Die Selbstanzeige von Volkswagen wegen möglicher Kartellverstöße stammt vom Juli 2016. Daimler soll sich nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Insider deutlich früher an die Wettbewerbsbehörden gewandt haben. Der schwäbische Hersteller hatte von 2011 an, als das Lkw-Kartell aufgeflogen war, seine Geschäftspolitik nach und nach geändert.

In den Folgejahren zog sich Daimler zumindest teilweise aus jenen Arbeitskreisen der fünf großen deutschen Autohersteller zurück, die heute als mögliches Kartell gelten.

BMW und Daimler sowie Volkswagen mit den Töchtern Audi und Porsche sollen in zahlreichen Arbeitsgruppen gemeinsame Strategien beispielsweise für Diesel-Fahrzeuge entwickelt haben. Das soll zu Manipulationen bei der Schadstoffreinigung von Dieselautos und somit zur Abgasaffäre geführt haben.

BMW dementiert, bei solchen Manipulationen mitgemacht zu haben und Teil eines Kartells gewesen zu sein. "Wir suchen auch in der Abgasreinigung den Wettbewerb."

Zu den bisherigen Arbeitskreisen der fünf großen deutschen Hersteller äußerte sich BMW nicht konkret. Die fünf Hersteller sollen bereits Anfang 2017 beschlossen haben, diese Aktivitäten vorläufig einzustellen und sich auf die Mitarbeit im Verband der Automobilindustrie (VDA) zu konzentrieren. Der VDA ist die offizielle Branchenvertretung.

Für den Kurswechsel der fünf Hersteller habe es zwei Gründe gegeben, heißt es in der Autoindustrie. Zum einen seien die Kosten für die doppelte Gremienarbeit in und außerhalb des VDA zu hoch gewesen. Zweitens sei die Rechtsunsicherheit bei einzelnen Projekten größer geworden. Der VDA erklärte, den Vorwürfen müsse "konsequent nachgegangen werden"; "illegale Absprachen" und "Surfen in rechtlichen Grauzonen" seien "inakzeptabel".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3601190
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.07.2017/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.