Abgasskandal bei Audi:Vorhang auf für das Dobrindt-Stadler-Drama

Abgasskandal bei Audi: Rupert Stadler und Alexander Dobrindt

Rupert Stadler und Alexander Dobrindt

(Foto: AFP(2))
  • Seit der Aussage des Verkehrsministers, Audi habe eine "unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut", herrscht Streit zwischen ihm und Audi-Chef Stadler.
  • In einem firmeninternen Video sagt Stadler: "Die Politik stellt da gerade manches anders dar und hat uns mit ihrem Alleingang an die Medien überrascht".
  • Bei Audi ist man nach wie vor der Meinung, keinen Defeat Device eingebaut zu haben - und argumentiert ziemlich spitzfindig.

Von Markus Balser, Berlin, Thomas Fromm und Max Hägler

Bei Audi in Ingolstadt wussten sie, dass die Sache mit den 24 000 betroffenen Fahrzeugen in Deutschland und Europa irgendwann an die Öffentlichkeit kommt. 24 000 mal eine vielleicht illegale Abgas-Software verwendet - und das, obwohl man doch stets versichert hatte, dass man in Europa keine Abgaswerte manipuliert habe. Eine unschöne Angelegenheit, und irgendwann musste sie raus.

Aber doch nicht so, nicht an diesem Donnerstagabend, nicht ohne Absprache, einzig und allein vom Bundesverkehrsminister orchestriert.

Die Chronologie einer Entfremdung: Am Donnerstag berichtet Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der Autobauer habe eine "unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut". Seitdem geht es neben Manipulationen bei Diesel-Abgasmessungen auch um Kommunikation. Es kracht jetzt zwischen Ingolstadt und Berlin, zwischen dem bayerischen Autokonzern und dem bayerischen Minister.

In einer Videobotschaft, die Rupert Stadler am Freitag ins Audi-Intranet stellen ließ, greift er Dobrindt an. "Die Politik stellt da gerade manches anders dar und hat uns mit ihrem Alleingang an die Medien überrascht", sagt der Chef in dem Beitrag, den Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR einsehen konnten. "Vielleicht wirft der Wahlkampf schon seine ersten Schatten." So etwas hat man selten gehört. Vorhang auf für eine bislang ganz neue Dimension der Dieselkrise. Es ist die Audi-Dobrindt-Krise.

In Ingolstadt kritisieren Manager, dass sich Dobrindt als Aufklärer geriere, obwohl man doch selbst die 24 000 auffälligen Autos gefunden habe im Zuge einer großen Überprüfung. Stadler beteuert seinen Mitarbeitern: "Wir haben diese Beobachtung im Rahmen laufender Gespräche sofort und in Eigeninitiative dem Kraftfahrtbundesamt und dem Bundesverkehrsministerium gemeldet."

Gemeinsam analysieren, gemeinsam reden, gemeinsam dann auch über Lösungen und mögliche Updates kommunizieren, so wünschte es sich Audi offenbar. Doch das Drehbuch bekam eine Wendung - Dobrindt ging an die Öffentlichkeit. "Gestern sind Auffälligkeiten bei Fahrzeugen der Modellreihe A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren erkannt worden", sagte Dobrindt. Die betroffenen Fahrzeuge seien zwischen 2009 und 2013 gebaut worden. Und: "Es handelt sich um eine sogenannte Lenkwinkel-Erkennung." Den Angaben zufolge erkennt eine Software, ob das Auto auf einem Prüfstand steht. Werde das Lenkrad um mehr 15 Grad eingeschlagen, erhöhten sich die Emissionen - womöglich, weil das Auto dann glaubt, es sei auf der echten Straße, werde also nicht überwacht. Der Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stickoxide (NOx) sei im realen Betrieb jedenfalls doppelt so hoch wie auf dem Prüfstand. Ein Defeat Device also, wie das heißt. Stadlers Entgegnung im Video: "Wir sind der Meinung, das ist nicht der Fall."

Die Stimmung bei Audi ist mies, Stadler bis auf die Knochen blamiert

Einige reden nun vom "Vorpreschen" des Ministers, es fällt das Wort der Berliner "Geisterfahrt", und dies ausgerechnet auf Kosten des bayerischen Autoherstellers. Vor allem aber fragt man sich: Ist Dobrindt, von vielen zuvor als zu autofreundlicher Minister kritisiert, hier vielleicht aus politischem Kalkül nach vorne geprescht? "Er ist politisch unter Druck, jetzt will er den Aufklärer spielen", sagt einer. Über die Medien haben die meisten bei VW und der Tochtermarke Audi am Donnerstag von den Vorwürfen erfahren - viel zu spät für ihren Geschmack.

Es habe keinen Vorlauf gegeben. Aus Dobrindts Ministerium verlautet dagegen, dass VW-Konzernchef Matthias Müller von der Veröffentlichung Kenntnis hatte. Liegt das Kommunikationsproblem also bei VW selbst? Ließ die VW-Führung Stadler im Regen stehen? Der war schon einmal angezählt, wegen der Dieselaffäre und doch wurde sein Vertrag jüngst um fünf Jahre verlängert. "Zwei Schritte vor für ihn, zwei zurück", beurteilt nun ein Topmanager aus dem Konzern die Lage, der beklagt, dass Stadler nicht genügend Fingerspitzengefühl gehabt habe, um das Drama abzuwenden.

Am Dienstag hatten sich die Fachleute aus der Politik und dem Unternehmen offenbar zusammengesetzt und darüber diskutiert, ob die Überschreitung der Werte im Rahmen der normalen Service-Intervalle behoben werden solle oder mit einem Rückruf. Am Mittwoch schickte das KBA die Einschätzung nach Ingolstadt, dass es vielleicht auch eine unzulässige Abschalteinrichtung sein könnte. Am Donnerstagvormittag sprach VW-Konzernchef Müller mit Dobrindt, der ihn mit der neuen Einschätzung konfrontierte. Am Donnerstagabend informierte Dobrindt die Presse.

Und am Freitag sprach Stadler dann, womöglich auf Drängen des Betriebsrats, zu den Mitarbeitern.

"kein Defeat Device, da Getriebe nicht Teil des Emissionskontrollsystems"

In Berlin wiederum herrscht Unverständnis über den Ärger in Ingolstadt. Das Bundesverkehrsministerium erneuerte am Freitag die Kritik an Audi. Das KBA und VW hätten die Technik in einer "kooperativen Zusammenarbeit gemeinsam betrachtet", teilt das Ministerium mit.

Damit ist allerdings offenbar Schluss mit der Kooperation. Das KBA werde einen "amtlich angeordneten Rückruf verfügen". Das Ministerium habe der Audi- Mutter Volkswagen deshalb "aufgegeben", bis zum 12. Juni Lösungsvorschläge zu übermitteln. Und die Sache könnte noch unangenehmer werden. Aus Regierungskrisen verlautete, man werde weitere Modelle von VW auf die Software hin überprüfen. Nächste Woche solle klar werden, welche. Von brisanten Erkenntnissen ist in Berlin die Rede, die Politik und Konzerne gleichermaßen nervös werden ließen. Und die Staatsanwaltschaft München II, die sowieso schon bei Audi wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt, erklärte am Freitag, die Ermittlungen nun auszuweiten.

Fragen wirft auf, dass Volkswagen entsprechende Systeme bei einem betroffenen Getriebetyp in internen Papieren schon Ende 2016 erwähnt hatte. Der Sachverhalt sei identisch mit dem in den USA; dort hatte Audi eingestanden, illegal gehandelt zu haben und über eine Milliarde Euro Strafe gezahlt. Es handele sich in Europa aber um "kein Defeat Device, da Getriebe nicht Teil des Emissionskontrollsystems" seien, heißt es in Kurzform in dem internen Papier. Man könnte sagen: ziemlich spitzfindig, diese Argumentation. Wobei sie bei Audi mittlerweile auch argumentieren, es handle sich nur um schlampig programmierte Software: Die Abstimmung zwischen Automatikgetriebe und Motor laufe bei einigen Modellen einfach ziemlich schlecht. Im Ministerium sieht man das offenbar ein wenig anders.

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