Ex-Vorstandschef im Visier:Audi, Winterkorn und das Asservat 4.229

Bei den Ermittlungen gegen den früheren VW-Vorstandschef will die Staatsanwaltschaft Braunschweig nun auch Vorgänge bei Audi in Ingolstadt überprüfen. Doch das ist nicht so einfach.

Von Klaus Ott

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig und das Landeskriminalamt (LKA) in Niedersachsen haben bei der Aufklärung der VW-Abgasaffäre mehr als genug Lesestoff, aber eine ganz bestimmte Akte wollen die Ermittler auf alle Fälle auswerten. Es geht um das Asservat mit der Nummer 4.229, das dem LKA Bayern vorliegt und den Titel "Winterkorn exhibits" (Beweisstücke Winterkorn) trägt. Die Münchner Kriminalbeamten untersuchen die Abgasmanipulationen bei der in Ingolstadt ansässigen Volkswagen-Tochter Audi. Und dort war Martin Winterkorn Vorstandschef, bevor er 2007 zum Mutterkonzern VW nach Wolfsburg wechselte und die Leitung des gesamten Unternehmens übernahm.

Audi gilt als Ursprung der Abgasaffäre. Dort wurde nach Erkenntnissen der Behörden jene Software mit entwickelt, mit der VW viele Jahre lang den Schadstoffausstoß von Millionen Dieselfahrzeugen manipulierte. Nun wollen die niedersächsischen Ermittler herausfinden, ob Winterkorn schon bei Audi von alledem erfahren habe. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig verdächtigt den früheren Konzernchef unter anderem des Betrugs und bezieht das auf Vorgänge in Wolfsburg. Aber vielleicht gebe es in der Ingolstädter Zeit von Winterkorn auch noch einiges zu finden, so die These der niedersächsischen Ermittler.

Winterkorn war nicht nur Vorstandschef von Audi, von 2002 bis 2007, sondern dort ab 2003 auch für den Geschäftsbereich technische Entwicklung verantwortlich. Insofern könnte er, glauben die Ermittler, auch von der "Akustikfunktion" erfahren haben. Dieses Teil der Motorsteuerung hatte ursprünglich dazu gedient, Diesel-Fahrzeuge leiser zu machen. Es war dann aber weiter entwickelt und dazu genutzt worden, die Abgasreinigung zu manipulieren. Das Amtsgericht Braunschweig hat die Beschlagnahme des Münchner Asservats 4.229 angeordnet. Doch das ist offenbar, weil es sich bei VW und Audi um getrennte Verfahren handelt, nicht so einfach.

Winterkorns Anwalt Felix Dörr teilte auf Anfrage mit, der Stand der Dinge bei diesem Asservat und der Inhalt des betreffenden Ordners seien ihm nicht bekannt. Laut Dörr gibt es aber keinerlei Vorkenntnisse von Winterkorn aus dessen Zeit bei Audi, die ihn später bei VW hätten alarmieren müssen, als er dort von Abgasproblemen bei Diesel-Fahrzeugen erfuhr. Winterkorn bestreitet jede Mitschuld an der Affäre. Von Manipulationen habe er nichts gewusst, weder bei Audi noch bei VW.

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