Ex-Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz:Die Frau, die Männern vertraut

Sie lebte lange im goldenen Käfig, mit dem Quelle-Zusammenbruch wirtschaftete sie sich von der Milliardärin zur Millionärin herunter. Jetzt versucht Madeleine Schickedanz zu retten, was zu retten ist: Sie will einstige Berater auf Milliarden verklagen.

Uwe Ritzer

Man hat lange schon nichts mehr von ihr gehört, geschweige denn hat man sie gesehen, nicht einmal in ihrer fränkischen Heimat. Wirklich aufgefallen ist diese Absenz aus der Öffentlichkeit jedoch kaum jemandem. Madeleine Schickedanz führte immer schon ein sehr zurückgezogenes Leben in hermetisch abgeschirmten Villen, nicht erst, seit das von ihren Eltern geerbte Versandhaus Quelle 2009 zusammenbrach. Und mit ihm der Mutterkonzern Arcandor, bei dem sie Großaktionärin war.

Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz

Lange nicht gesehen: Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz führte schon immer ein zurückgezogenes Leben, doch vor etwa drei Jahren verschwand sie ganz aus der Öffentlichkeit.

(Foto: dpa)

Von zeitweise drei Milliarden Euro Vermögen blieben ihr ein paar Dutzend Millionen. Um zu Geld zu kommen hat sie in den vergangenen Jahren mehrere, aber längst nicht alle ihre Luxusimmobilien verkauft; die weitläufige Hazienda in Chile ist ihr dem Vernehmen nach geblieben. Kunstwerke? Autos? Teures Mobiliar? Gehöre alles ihrem Mann Leo Herl, sagte sie in ihrem letzten nennenswerten Interview. Das ist auch schon drei Jahre her und es brachte ihr viel Spott ein. Damals gerierte sie sich als arme Frau, die beim Discounter einkaufen und ihr Gemüse selber anbauen müsse.

Sie beziehe nicht einmal eine reguläre Altersrente, sagte Schickedanz damals. Inzwischen ist sie 68 Jahre alt. Sie habe immer im sprichwörtlichen goldenen Käfig gelebt, sagen alte Bekannte. Fernab dessen, was Normalverdiener als Wirklichkeit erleben. Im Schatten von Eltern, die deutsche Wirtschaftswunder-Ikonen sind. Vater Gustav Schickedanz gründete 1927 die Quelle. Nach seinem Tod 1977 trat Mutter Grete an seine Stelle. Sie starb 1994.

Die Eltern benannten zwar einen Spezialversand für Damenmode nach ihrer Tochter Madeleine. In Wirklichkeit aber hatten sie vor lauter Arbeit so gut wie keine Zeit für das Kind, das am 20. Oktober 1943 in einem Luftschutzbunker unter einem Nürnberger Krankenhaus zur Welt gekommen war. Madeleine Schickedanz wuchs in einer hochherrschaftlichen Villa in Fürth und einem ähnlichen Anwesen im nahen Hersbruck auf, anfangs noch mit normalen Schulfreunde, im Lauf der Zeit aber immer abgeschirmter von der wirklichen Welt durch hohe Bäume, Personal und Überwachungskameras. Eine Erbin wider Willen.

Und vor allem war sie nie eine Unternehmerin. Die Geschäfte überließ Madeleine Schickedanz, die ein Betriebswirtschaftsstudium nach zwei Semestern abgebrochen hatte, immer Männern. Meistens solchen, mit denen sie verheiratet war. Mit 22 Jahren heiratete sie den Sohn eines Fürther Spielwarenfabrikanten. Er stieg bald ins Quelle-Management ein. In zweiter Ehe heiratete sie Wolfgang Bühler, einen ehemaligen AEG-Vorstand, von dem manche in Franken behaupten, er sei durchaus ein guter Manager gewesen, habe aber das sehr spezielle Versandgeschäft nie wirklich durchdrungen. Bühler stieg trotzdem bei Quelle bis an die Spitze auf. Ihr aktueller, dritter Ehemann Leo Herl saß später bis zum bitteren Ende im Arcandor-Aufsichtsrat. Und dann war da noch Thomas Middelhoff.

Sie nahm ihr Erbe nie wirklich in die Hand

Es heißt, Madeleine Schickedanz sei immer angetan, ja, fasziniert gewesen von den guten Manieren und dem weltgewandten Auftreten des Managers, den nicht wenige für den Totengräber von Arcandor halten. 2005 wurde Middelhoff Arcandor-Vorstandschef. Schickedanz habe ihn förmlich gedrängt, den Job zu übernehmen, erzählte er einmal. Sie nahm ihn auch in Schutz, als Arcandor zusammenstürzte. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Middelhoff etwas Unlauteres getan hat", sagte sie 2009 in der Bild am Sonntag. Gewiss, niemand sei unfehlbar, und vielleicht habe er anderen zu große Freiräume gelassen. "Aber ich distanziere mich von den unfairen Vorwürfen gegen Herrn Middelhoff."

Madeleine Schickedanz, ihr ungeliebtes Quelle-Erbe und die Männer - über Jahrzehnte hinweg war das ein letztlich fatal-dissonanter Dreiklang. Nie griff die scheue Milliardärin selbst resolut in die Geschäfte ein, nie nahm sie ihr Erbe wirklich in die Hand. Sie zog sich aber auch nie ganz davon zurück und damit einen erkennbaren Schlussstrich. Sie kaufte immer weiter Arcandor-Aktien und wurde Großaktionärin, als die Probleme den Konzern bereits erdrückten. Handelte sie aus Verpflichtung gegenüber den toten Eltern? Aus Verantwortungsgefühl? Aus Scheu? Sie delegierte letztlich ihre ureigenste unternehmerische Verantwortung an Ehemänner und Manager. Die Zeche dafür zahlte am Ende nicht nur sie, sondern auch Tausende Menschen, die beim Arcandor-Zusammenbruch und speziell beim Untergang von Quelle ihre Arbeitsplätze verloren.

Madeleine Schickedanz selbst versucht nun zu retten, was zu retten ist. Ihre Finanzberater von damals will sie auf mindestens zwei Milliarden Euro Schadenersatz verklagen. Sie hätten sie falsch beraten, sagt sie. Und meint die Privatbank Sal. Oppenheim und den Kölner Immobilienunternehmer Josef Esch. Auch so ein Mann, dem Madeleine Schickedanz einmal sehr vertraut hat.

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