Evonik-Chef Werner Müller im Interview:"Wir wollen den Wert von Evonik verdoppeln"

Konzernchef Werner Müller im SZ-Interview über den Einstieg des Finanzinvestors CVC, die Chancen für einen Börsengang und den wachsenden Erfolgsdruck.

Hans-Willy Bein und Marc Beise

Seit fünf Jahren führt der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller den Mischkonzern Evonik in Essen. Er hat das Unternehmen rundum erneuert, mehr als 500 Ver- und Zukäufe getätigt und einen neuen Firmennamen eingeführt. Zuletzt wurde ein Viertel von Evonik an einen Finanzinvestor verkauft. Müller kann sich statt des geplanten Börsengangs auch einen weiteren Verkauf von Aktien des Unternehmens vorstellen.

Evonik-Chef Werner Müller im Interview: "Ich heiße doch nicht Mehdorn" - Werner Müller, Vorstandschef von Evonik.

"Ich heiße doch nicht Mehdorn" - Werner Müller, Vorstandschef von Evonik.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Müller, der britische Finanzinvestor CVC ist mit gut 25 Prozent bei Evonik eingestiegen. Sind Sie noch Herr im eigenen Haus?

Müller: Ich denke schon. Der Haupteigentümer (die RAG-Stiftung) und CVC haben versichert, das Unternehmen werde unverändert vom Vorstand geführt, und ich bin der Vorstandsvorsitzende.

SZ: Welchen Einfluss hat ein Viertel-Eigentümer auf die Strategie?

Müller: Ich habe mich bisher bei wichtigen Entscheidungen mit dem Aufsichtsrat abgestimmt, und ich werde das in Zukunft tun. Mit CVC zieht ein Investor mit großem globalen Industriesachverstand in unseren Aufsichtsrat ein. Das kann nur von Vorteil sein.

SZ: Im Gespräch war immer auch ein Börsengang. Dann hätten Sie viele kleine und große Eigentümer gehabt und vielleicht mehr Freiheiten.

Müller: Ich war immer dafür, vor einem Börsengang für drei bis vier Jahre einen Einzelinvestor an Bord zu nehmen. Dass das in die Stiftungssatzung kommt, dafür habe ich in den politischen Kohlerunden im Frühjahr 2007 gekämpft, als es um die Zukunft der damaligen RAG und die Finanzierung der Ewigkeitslasten ging - also das permanente Abpumpen des Grubenwassers - die mit dem möglichen Ende des Bergbaus im Jahr 2018 ja nicht verschwinden.

Auf der nächsten Seite: "Die Stiftung ist gut beraten, das Kapital eisern zu halten."

"Wir wollen den Wert von Evonik verdoppeln"

SZ: Das Geld für diese Ewigkeitslasten sollte ein Börsengang bringen.

Müller: Ich wage mal die These, dass wir durch den Teilverkauf an CVC mehr eingenommen haben, als ein Börsengang inmitten einer Schwächephase der globalen Finanzmärkte gebracht hätte.

SZ: CVC zahlt für seine Beteiligung 2,4 Milliarden Euro. Sind Sie jetzt sinnlich geworden und suchen schon den nächsten Investor?

Müller: Die Stiftungssatzung regelt, dass 75 Prozent an Evonik breit gestreut sein sollen - spätestens bis zum Jahre 2018. Man wird nun sehen, wann der nächste Veräußerungsschritt erfolgt. Das könnte theoretisch von der Attraktivität der Erlöse betrachtet wieder ein Einzelinvestor sein. Aber voraussichtlich wird das frühestens in zwei Jahren ein Thema sein.

SZ: Das heißt, ein Börsengang ist gar nicht mehr sicher?

Müller: Es hängt von unseren Eigentümern ab. Vorzugsweise soll die kommende Tranche über die Börse veräußert werden. Es kennt aber keiner die Situation dann an den Kapitalmärkten. Wenn eine sehr positive Stimmung an der Börse eintritt, sollte die genutzt werden. Es kann aber sein, dass wir dann so attraktiv sind, dass Investoren uns wieder Preise bieten, die wir an der Börse nicht erlösen können.

SZ: Steht das nicht anders in der Satzung?

Müller: Ja. Und doch gehört es zum öffentlichen Auftrag der Stiftung, dass sie möglichst viel Kapital ansammeln soll. Die Stiftung muss am Ende für die Ewigkeitslasten des Bergbaus mindestens ein Gesamtvermögen von acht Milliarden Euro haben. Am besten natürlich mehr. Die Stiftung ist übrigens gut beraten, das Kapital auch eisern zu halten.

SZ: Wie meinen Sie das?

Müller: Na, ich sehe schon den nächsten Finanzminister kommen, der sagt, die brauchen das viele Geld nicht, jetzt sollen sie mal was anderes finanzieren.

SZ: Warum hatten die anderen Bewerber außer CVC keine Chance?

Müller: Eine gute Chance hatten alle vier Finalisten; alle waren sehr professionell. Aber CVC hat nun mal den höchsten Kaufpreis geboten. Das liegt daran, dass sie das größte Vertrauen in unsere Planung haben und in das, was noch nicht in der Planung abgebildet ist. Der Kaufpreis ist auch Verpflichtung, das in uns gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.

SZ: Schön gesagt. Ist eine solche Verpflichtung messbar?

Müller: Wir sind als Vorstand deutlich ins Obligo gegangen. Wir wollen bis 2013- also innerhalb von fünf Jahren - den Wert des Unternehmens verdoppeln.

SZ: Das wären fast 20 Milliarden Euro- gerechnet bei einem Kaufpreis von 2,4 Milliarden Euro für ein Viertel und einem Gesamtwert von heute knapp zehn Milliarden Euro. Das ist viel Geld.

Müller: Das haben Sie schön gerechnet. Wir haben uns das angesehen. Es ist machbar - ohne dass wir radikalkapitalistische Methoden anwenden.

SZ: Dennoch ist kaum vorstellbar, dass der Konzern in jetziger Form bestehen bleibt. Welche Zusagen haben Sie CVC gegeben?

Müller: Keine. CVC hat ganz bewusst einen Anteil an einem viel geschmähten Konglomerat erworben. Aber natürlich wird es auf längere Sicht auch Umbauten geben können. Wir werden in den nächsten Jahren in der Chemie wachsen und schneiden. Und wir werden bis 2013 auch den vollen Wert unserer Immobiliensparte realisiert haben.

Auf der nächsten Seite: "Wenn wir gut sind, werde ich über eine Erfolgsbeteiligung profitieren."

"Wir wollen den Wert von Evonik verdoppeln"

SZ: Was heißt das genau? Wollen Sie die Immobilien verkaufen?

Müller: Wir haben das Ziel, unsere Immobiliensparte bis dahin so aufgestellt zu haben, dass sie den Kapitalmarkt begeistert.

SZ: Wachsen und Schneiden in der Chemie: Sind Zukäufe geplant?

Müller: Alles Denkbare wird einmal gedacht - ob auch gemacht, ist offen. In der Branche gibt es Konsolidierungen. Wir sind gesund genug, dass wir das nicht mitmachen müssen. Aber wir werden unsere Chancen nutzen.

SZ: Ein großer Zukauf zusammen mit dem Chemie-Riesen BASF? Müller: Das ist jetzt eine hypothetische Frage.

SZ: Apropos Schneiden. Ist die Bereinigung im Konzern noch nicht abgeschlossen?

Müller: In Bezug darauf, dass etwas nicht zu uns passt oder schlechte Zahlen schreibt, ist sie abgeschlossen. Alle drei Geschäftsfelder liegen deutlich über den Kapitalkosten. Wenn ich aber etwas entdecke, mit dem ich eine silberne Tätigkeit vergolden kann, dann werde ich das Silber abgeben.

SZ: Was bedeutet eine Wertverdoppelung für die Zahl der Beschäftigten?

Müller: Kann ich noch nicht sagen. Sicher aber bedeutet es keine Verdoppelung der Mitarbeiterzahl.

SZ: Wie stark wird sich CVC in den Konzern einmischen?

Müller: Sie werden zwei Sitze im Aufsichtsrat bekommen. Von Mitspracherechten im Management ist mir nichts bekannt. Managementmeetings mit der Stiftung gibt es schon. Das ist nichts Neues. Jetzt werden dort eben zwei Eigentümer sitzen und die Geschäftslage mit uns erörtern. Bisher habe ich das als durchaus konstruktiv erlebt.

SZ: Gab es vor Abschluss mit CVC intern oder in den politischen Gremien eine Diskussion über das Thema Heuschrecken?

Müller: Ich glaube nicht. Mir sind jedenfalls keine negativen Äußerungen zu Ohren gekommen. Evonik ist politikfrei. Die Stiftung hat einen politischen Auftrag. Der heißt, möglichst viel in die Kasse zu bekommen. Dieser Auftrag ist übrigens wichtiger als die öffentlich geäußerte Charakterisierung eines Investors.

SZ: Aber beim Stichwort Heuschrecken klingeln doch Alarmglocken. Viele denken da an das radikale Ausnehmen von Unternehmen.

Müller: Das wird alles ein bisschen übertrieben. Klischees entsprechen nicht immer der Realität. Ich habe schon als Bundeswirtschaftsminister vor der Verteufelung von Finanzinvestoren gewarnt - damals als einsamer Rufer.

SZ: Vielleicht zu Recht. Es gab aber auch Exzesse.

Müller: Zugegeben, mancher Investor operierte vollkommen mit Fremdkapital. Finanziert werden musste das dann aus dem Unternehmen. Ein solches Ausschlachten ist hier nicht möglich, bei 25,01 Prozent. Außerdem haben sich die Verhältnisse geändert. Sie müssen heute sehr viel eigenes Geld mitbringen und können nicht einfach in die Kasse greifen. Diese Phase liegt hinter uns.

SZ: Der Einstieg von CVC fiel mit der Verlängerung Ihres Vertrags zusammen. Bei dem erfolgreichen Abschluss sind Ihre Bezüge garantiert hochgeschossen.

Müller: Ich hoffe das. Das Grundgehalt hat sich kaum geändert. Wenn wir gut sind, werde ich über eine Erfolgsbeteiligung stärker profitieren als vorher. Das liegt auch daran, dass wir früher nie Dividende gezahlt haben. Jetzt werden wir den Wert des Unternehmens deutlich steigern müssen, und uns womöglich auch am Unternehmen selbst beteiligen können. Das würde ich gern tun.

SZ: Sie hätten den Einstieg von CVC ja auch zum persönlichen Ausstieg nutzen können. Mission erfüllt - und das Leben genießen.

Müller: Ich habe mir das schon überlegt. Das sollte man bei einem 18-Stunden-Tag in meinem Alter auch ab und an ruhig mal tun. Für mich geht es hier weiter. Dafür ist die Aufgabe zu reizvoll.

SZ: Bis wann?

Müller: Mein Vertrag läuft bis Mitte 2011. Dann bin ich 65.

SZ: Und dann machen Sie weiter?

Müller: Ich heiße doch nicht Mehdorn.

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