Eurotunnel-Chef Gounon:"Deutsche Bahn darf mit Zulassung rechnen"

Zu gern würde die Deutsche Bahn unter dem Ärmelkanal nach London fahren. Paris ist dagegen - doch der Chef des Eurotunnels verteidigt den Angreifer.

Michael Kläsgen

SZ: Monsieur Gounon, es gab viel Streit zwischen Deutschland und Frankreich darüber, ob die Deutsche Bahn mit Siemens-Zügen durch den Eurotunnel fahren darf oder nicht. Können Sie absehen, wann die Entscheidung fällt?

ICE im Eurotunnel

So sieht der Albtraum Frankreichs aus: Ein ICE im Eurotunnel.

(Foto: dpa)

Gounon: Die Entscheidung liegt in den Händen der franko-britischen Kommission, die die Sicherheitsregeln für den Eurotunnel festlegt. So viel ich weiß, bereitet die Deutsche Bahn ihre Akten weiter vor.

SZ: Gibt es eine Frist, bis zu der die Kommission entscheiden muss?

Gounon: Nein, sie ist vollkommen frei, den Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu bestimmen, sie zu verschieben oder zusätzliche Prüfungen zu verlangen. Aber meines Wissens nach sind die von der Deutschen Bahn eingereichten Unterlagen hieb- und stichfest. Die Evakuierungstests, die wir mit der Deutschen Bahn vorigen Oktober gemacht haben, waren hervorragend, die Passagiere würden im Notfall schnell genug aus den Siemens-Zügen kommen. Ich denke, die Deutsche Bahn darf damit rechnen, vor Anfang Sommer die Zulassung zu bekommen. Das würde darauf hinauslaufen, dass sie von Anfang 2013 an unter dem Ärmelkanal nach London fahren kann. Während der Olympischen Spiele 2012 in London werden aber voraussichtlich nur Testfahrten ohne Passagiere möglich sein.

SZ: Sie als Tunnelbetreiber unterstützen das Vorhaben?

Gounon: Wir haben die Verpflichtung und den Wunsch, allen die Durchfahrt zu ermöglichen, die sie beantragen und die Voraussetzungen dafür erfüllen. Unser oberstes Prinzip ist dabei die Sicherheit. Wir würden niemals neue Kunden auf Kosten der Sicherheit gewinnen wollen. Auf die Deutsche Bahn träfe das nicht zu. So solide Unterlagen zur Sicherheit habe ich selten gesehen.

SZ: Der Widerstand Frankreichs gegen Siemens-Züge der Deutschen Bahn im Tunnel ist Protektionismus. Der ist schlecht für Ihr Geschäft als Tunnelbetreiber, oder?

Gounon: Wir sind für ein funktionierendes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen in Europa. Dazu gehört, dass man ohne Probleme von Deutschland nach London fahren kann. Auf der Hinfahrt setzen Sie sich in einen Zug der Deutschen Bahn und auf der Rückfahrt in einen Eurostar. Ich glaube, das ist es, was sich die Bürger in Europa wünschen. Und wir freuen uns, wenn wir unseren Teil dazu beitragen können, und zwar auf höchstem Sicherheitsniveau.

SZ: Ein paar Mal sind bereits Feuer im Eurotunnel ausgebrochen. Müssen Sie nicht noch mehr für die Sicherheit unter dem Ärmelkanal tun?

Gounon: Wir verbessern unser Sicherheitssystem ständig, obwohl unter dem Ärmelkanal noch nie jemand schwer verletzt worden ist. Bis Ende des Jahres werden wir ein so sicheres Sicherheitssystem eingeführt haben, wie es dies sonst in keinem Eisenbahntunnel der Welt gibt. Übrigens mit Hilfe der Technik des deutschen Unternehmens Fogtec, das ein riesiges Wassernebel-Löschsystem entwickelt hat. An insgesamt vier Stellen im Tunnel werden Löschbereiche eingerichtet, in denen Zugbrände schnell bekämpft werden können. Jede Stelle ist 870 Meter lang, also länger als die Züge. So ist der gesamte Tunnel abgedeckt, und ein Zug muss höchstens 17 Kilometer weit fahren, um eine dieser Stellen zu erreichen. Sobald er die Stelle erreicht hat, wird der Zug von dem feinen Wassernebel gekühlt.

SZ: Seit 2008 ist die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs Ihr größter Aktionär. Bleibt das so?

Gounon: Wir haben einen sehr stabilen Aktionärskreis. Es ist aber richtig, dass sich neuerdings amerikanische Investoren intensiver für uns interessieren. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Deutsche Bahn durch den Eurotunnel fahren will. Da müssen wir uns bei ihr bedanken.

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