Europol:Warum die EU das Thema Geldwäsche unterschätzt

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Die Europol-Zentrale in Den Haag. (Foto: Lex Van Lieshout/dpa)

Ein neuer Bericht von Europol skizziert, warum das Problem viel größer ist als gedacht - und welche Rolle das organisierte Verbrechen spielt.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Mit einem Mal war öffentlich, was vorher geheim war. Im Oktober veröffentliche das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) gemeinsam mit 600 Journalisten weltweit, darunter auch Kollegen der Süddeutschen Zeitung, die "Pandora Papers". 35 Staats- und Regierungschefs tauchten in den Daten auf, dazu mehr als 300 Politiker und Offizielle - und zahllose Kriminelle, die ihr Geld in den Steuerparadiesen parkten oder waschen wollten, darunter Goldschmuggler, Investmentbetrüger, Drogendealer und auch das organisierte Verbrechen.

Die Erkenntnisse aus den umfangreichen Recherchen nimmt nun die europäische Polizeibehörde Europol zum Anlass für einen alarmierenden Bericht. In "Shadow Money - The International Networks of Illicit Finance" warnen die Ermittler, dass die Europäische Union das Thema Geldwäsche jahrelang unterschätzt hat, dass das organisierte Verbrechen eine finanzielle Schattenstruktur aufgebaut hat - und dass dieses der Gesellschaft massiven Schaden zufügt. Die Pandora Papers hätten dabei das Ausmaß einer Finanzkriminalität verdeutlicht, die die ganze EU betrifft.

7,5 Billionen Euro liegen weltweit in Offshore-Paradiesen, 1,5 Billionen stammen davon aus der EU, schätzen Experten. Allein der dadurch erlittene Verlust belief sich 2016 auf rund 46 Milliarden Euro, aktuellere Zahlen gibt es nicht. Während die meisten Menschen die komplexen Konstrukte an Briefkastenfirmen dahinter meist mit Steuerersparnissen in Verbindung bringen, warnt Europol insbesondere davor, dass diese Offshore-Jurisdiktionen Schwerkriminellen helfen. Sie spielen laut Europol eine "Schlüsselrolle bei Geldwäschesystemen", die das organisierte Verbrechen benutze, um die wahre Herkunft ihrer Einkünfte zu verbergen.

Das geht so weit, dass professionelle Geldwäsche ein "paralleles, unterirdisches Finanzsystem" aufgebaut hat, das von "allen legalen Finanzaufsichtsmechanismen isoliert ist", so Europol. Das ermöglicht es ihnen, ihr Geld zu verstecken, über Ländergrenzen hinweg zu schieben und nicht nachverfolgbare Zahlungen für beispielsweise Korruption zu leisten, mit denen sie sich Einfluss in der Gesellschaft kaufen. So entstehe laut Europol eine "globale Verbrechenswirtschaft".

In Steueroasen verstecken sich Gangster mit ihrem Geld

Die Aufsicht und auch die Ermittler haben dabei kaum eine Chance, diese Machenschaften zu unterbinden, solange es beispielsweise Steueroasen gibt. In und hinter diesen verstecken sich die Gangster mit ihrem Geld, weil dort die Regeln und Gesetze lax sind und oftmals dazu dienen, den wahren Begünstigten zu schützen. Zwar versuchen die Staaten, Taterträge einzufrieren, doch ist die EU darin nicht wirklich erfolgreich, wie eine Zahl aus dem Jahr 2016 zeigt. Demnach bleiben 98 Prozent der Erträge aus Straftaten in den Händen von Kriminellen.

All das hat gravierende Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft, die weit über die Ausbreitung krimineller Strukturen hinausgehen. Nahezu jedes legale Geschäft in der EU kann von den Auswirkungen betroffen sein. Laut Europol zählen dazu unter anderem "die Unterwanderung legaler Geschäfte, die Verzerrung des Wettbewerbs und des freien Marktumfelds, die Beeinträchtigung von Unternehmensstrukturen, die Gefährdung von Wirtschaftszweigen und die Gefährdung von Finanzinstituten in einer Weise, die ganze Finanzsysteme beeinträchtigen kann".

Gefährlich ist das auch, weil die kriminelle Welt immer auch in das tägliche Leben von Millionen Menschen hineinwirkt. Europol-Direktorin Catherine De Bolle beispielsweise sagte in einem Interview mit dem belgischen Wochenmagazin Knack zum Bericht: "Wenn kriminelle Gruppen Geld waschen, indem sie in bestimmten europäischen Städten Immobilien kaufen, führt dies zu einer Unterwanderung - der Vermischung der legalen Oberwelt mit der kriminellen Unterwelt. Und diese Unterwanderung schwächt die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Rechtsstaatlichkeit."

De Bolle sieht die EU nun am Zug, sich gegen diese Entwicklung zu stemmen. Kriminelle würden immer Schlupflöcher suchen und alle Schlupflöcher zu schließen, das wird nicht möglich sein, sagt sie. "Aber wir müssen in Europa so viele Türen wie möglich schließen."

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