Süddeutsche Zeitung

Europas Krise dominiert G20-Gipfel:Ratschläge aus aller Welt

Das Treffen in Cannes sollte unbelastet von Europas Schuldenkrise verlaufen. Doch das Griechenland-Drama überschattet alle anderen Themen auf dem G20-Gipfel. Und so ernten Europas Regierungen Solidaritätsbekundungen aus aller Welt - und Mahnungen, ihre Probleme endlich zu lösen.

Michael Kläsgen

In Cannes sollte es überhaupt nicht um Europa gehen. Das war der Plan. "Das griechische Problem ist gelöst", sagte der wichtigste Wirtschaftsberater von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy noch am Montag. Doch als am Donnerstagmittag die Staats- und Regierungschef der G 20 zum Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer anreisten, gab es entgegen des offiziellen Protokolls nur ein Thema: die Euro-Zone. Nach dem verzweifelten Hin und Her des griechischen Premiers Giorgos Papandreous, ob Griechen über die Hilfspakete oder den Verbleib im Euroraum abstimmen sollen, ist Europa zum gefährlichen Brandherd für den Rest der Welt geworden. Die aus allen Winkeln der Welt Angereisten forderten Europa unisono zu entschlossenem Handeln auf. Sie unterstrichen auch ihre Solidarität. Aber Europa müsse sich zunächst selber helfen. Europa habe alle Mittel dazu, sagte der russische Präsident Dmitrij Medwedjew. Sein chinesischer Kollege Hu Jintao erklärte, China habe "großes Interesse" an der Stabilität der Euro-Zone und werde das Möglichste tun, damit diese nicht gefährdet werde. Selbst in Indien beherrscht die griechische Tragödie die Schlagzeilen, berichteten Gipfel-Teilnehmer. Kein Wunder, dass auch der indische Premier Manmohan Singh Europa ermunterte, rasch eine Lösung herbeizuführen. Denn die Krise im Euro-Raum droht die ganze Welt in ihren Sog zu ziehen. Die sogenannten Brics-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - wollen daher enger zusammenarbeiten, um der Krise in Europa zu begegnen. Sie hätten vereinbart, eine gemeinsame Haltung auszuarbeiten, sagte der Wirtschaftsberater der russischen Regierung, Arkadi Dworkowitsch. Die Last, die auf Europa liegt, schien sich in den schwerfälligen Schritten Sarkozys auszudrücken, als er mit US-Präsident Barack Obama die Pressetribüne für ein kurzes Statement betrat. Obama tänzelte dagegen eher, so wie man es kennt. Dabei geht es den USA wirtschaftlich kaum besser als Europa. Selbstverständlich beherrschten die Wirren in Griechenland auch ihr bilaterales Gespräch. "Es war das wichtigste Thema, über das wir geredet haben", sagte Obama. In dem 45-Minuten-Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kurz darauf war es nicht anders. Am Abend wollten die Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Spaniens, Italiens und der EU zu einem Krisentreffen zusammenkommen, um über eine "Brandmauer" für Italien und Spanien zu sprechen. Das könnte bedeuten, dass die EZB noch mehr Anleihen kaufen muss, um die hohen Zinsen zu dämpfen. Die "Schutzwälle" müssten dringend hochgezogen werden, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. In der Brisanz der Griechenland-Frage herrscht unter den Teilnehmern der G20-Gruppe Einigkeit, im Kampf gegen gefährliche Spekulationsgeschäfte bleiben sie zerstritten. Nach ersten Entwürfen für die Abschlusserklärung ist die französische G20-Präsidentschaft bei der Einführung einer globalen Finanztransaktionssteuer gescheitert. Schattenbanken soll es allerdings an den Kragen gehen. Die Top-Wirtschaftsmächte verpflichteten sich, "die Regulierung und Aufsicht" zu stärken. Konkreter wurde es bisher nicht. Allerdings: Wenn die Euro-Zone ihre Probleme nicht in den Griff bekommt, sind alle anderen Erklärungen der G 20 möglicherweise hinfällig. Alle schauen nach Athen.

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SZ vom 04.11.2011/luk
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