Europäischer Schuldentilgungspakt:So kann die Krise endgültig besiegt werden

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Es gibt eine Lösung für die Schuldenkrise: Mit einem Schuldentilgungspakt könnte die Euro-Zone Stabilität gewinnen und die Spekulationen gegen einzelne Länder beendet werden. Die Idee gewinnt immer mehr Anhänger - aber die Kanzlerin sperrt sich.

Catherine Hoffmann und Markus Zydra

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) glaubt nicht an die magische Lösung dieser Finanzkrise. Die Angelegenheit sei viel zu komplex, als dass es mit einer Maßnahme getan wäre. Merkel mag recht haben, allerdings gibt es einen konkreten Vorschlag, der die Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone tatsächlich kurzfristig entschärfen und langfristig gar beenden könnte.

Die Kanzlerin kennt die Idee, sie wurde ihr im vergangenen Jahr präsentiert, vom Sachverständigenrat, einem fünfköpfigen Gremium aus Wirtschaftswissenschaftlern, die auch als die Fünf Weisen bekannt sind. Sie fordern die Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds.

Im Detail sehr kompliziert, verbindet diese Idee zwei Dinge: Sie schafft kurzfristig Entspannung für die angeschlagenen Euro-Staaten, und sie führt langfristig zu einem Schuldenabbau auf ein erträgliches Niveau. Merkel hat den Vorschlag abgelehnt, im Europäischen Parlament, im angelsächsischen Raum und unter Akademikern weltweit genießt die Idee des Schuldentilgungsfonds allerdings große Anerkennung.

Der Vorschlag: Schulden einzeln abbauen und gemeinsam haften

Im Kern geht es um Folgendes: Die Euro-Staaten sollen gegenseitig für einen Teil ihrer Verbindlichkeiten einstehen und sich zugleich verpflichten, die Schulden auf 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung abzubauen. Dazu sollen nationale Schulden, die die 60-Prozent-Grenze übersteigen, in einen gemeinsamen Tilgungsfonds ausgelagert werden, für den alle Euro-Mitglieder gemeinsam haften.

Berechnungen von Ökonomen zufolge hätte der Fonds eine Größe von 2,3 bis 2,5 Billionen Euro. Im Gegenzug verpflichtet sich jedes teilnehmende Land, seine ausgelagerten Schulden nach einem strikten Plan binnen 20 bis 25 Jahren zu tilgen, so dass sich der Fonds zu diesem Zeitpunkt von selbst auflöst.

Die planmäßige Tilgung wird durch feste Zahlungsverpflichtungen der einzelnen Länder erreicht. Damit diese Zahlungsversprechen glaubwürdig sind, sollen die Länder nationale Schuldenbremsen einführen, deren Verletzung zu einer automatischen Strafe führt. Zudem müssen die Länder eine Sondersteuer - vergleichbar dem deutschen Soli - erheben, die allein der Tilgung gewidmet ist. Obendrein müssen Sicherheiten in Form von Gold- oder Devisenreserven hinterlegt werden. Auf sie darf zugegriffen werden, wenn ein Staat die vereinbarten Sparprogramme nicht einhält. Unvorhergesehene Defizite, etwa aufgrund eines Abschwungs, müssen in Eigenverantwortung finanziert werden.

Der Pakt soll allen Ländern offenstehen, die noch nicht vom Rettungsschirm geschützt werden; Griechenland, Irland und Portugal blieben also außen vor. Nicht beteiligt sind auch Länder, deren Schuldenquoten unter der 60-Prozent-Marke liegen, also zum Beispiel Finnland, Luxemburg oder Slowenien.

Im Gegensatz zu europäischen Gemeinschaftsanleihen, also Euro-Bonds, ist der Schuldentilgungsfonds keine Dauereinrichtung, vielmehr ist er zeitlich auf 25 Jahre und vom Umfang her begrenzt. Die Rettungsfonds ESFS und ESM würden trotzdem weiter benötigt, um bereits laufende Programme für Griechenland, Irland und Portugal fortzusetzen.

Für das Modell des Sachverständigenrats spricht, dass es sich schnell umsetzen ließe und damit bald schon helfen könnte, die Euro-Krise in den Griff zu bekommen. Schon im Januar 2013 könnte der Fonds seine Arbeit aufnehmen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel Ende Juni darauf verständigen.

Gemeinsam sind die Länder stärker

Den wesentlichen Vorteil ihres Konzepts sehen die Wirtschaftsweisen darin, dass durch die gemeinsame Haftung die Zinsen für hoch verschuldete Länder sinken. "Aufgrund der Mithaftung solventer Länder wie Deutschland würde das Vertrauen gestärkt, dass die Kredite am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden", erklärt Jörn Quitzau, Volkswirt der Berenberg Bank.

Den größten Nutzen hätte voraussichtlich Italien. Seine durchschnittlichen Finanzierungskosten würden, so schätzt die Investmentbank Morgan Stanley, um rund 2,5 Prozentpunkte schrumpfen. Es müsste allerdings auch die größten Anstrengungen unternehmen, um seine gewaltige Schuldenquote von 120 Prozent in nur 20 Jahren zu halbieren. Ein wenig teurer würde die Finanzierung dagegen für Deutschland - um 0,6 Prozentpunkte. Der absehbare Zinsanstieg wäre für die Bundesrepublik also in erster Linie ein Schritt in Richtung Normalität. Der Sachverständigenrat hält für die Gemeinschaftsanleihen einen Zinssatz von rund drei Prozent für realistisch.

Allerdings hat auch der Schuldenpakt seine Tücken. So ist umstritten, ob der Fonds mit dem Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu vereinbaren ist, wonach die Belastungen für den Bundeshaushalt zeitlich, sachlich und der Höhe nach begrenzt sein müssen. Die Weisen sehen hier kein Problem. Angela Merkel hegt allerdings verfassungsrechtliche Bedenken. Zudem müsse für die teilweise Vergemeinschaftung von Schulden eine Vielzahl von EU-Verträgen geändert werden. Ungelöst bleibt auch die alte Glaubwürdigkeitsfrage: Halten sich die Staaten tatsächlich 25 Jahre lang an die vereinbarten Regeln oder werden sie in der Not doch gebrochen?

© SZ vom 16.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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