Prozess am EuGH:Gegenwind für die Schufa

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Wie genau die Schufa ihren Score für einzelne Personen errechnet, ist ein gut gehütetes Geschäftsgeheimnis. (Foto: Steinach/imago)

Wer ist kreditwürdig und wer nicht? Wie die Schufa das berechnet, ist für Betroffene völlig intransparent. Der Europäische Gerichtshof prüft nun, ob strengere Vorgaben für Auskunfteien nötig sind.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wenn ein Unternehmen eine Transparenzoffensive startet, dessen Geschäft auf der größtmöglichen Undurchschaubarkeit beruht, dann hat das meist mehr mit äußerem Druck als mit innerer Einsicht zu tun. Die Schufa, Deutschlands bekannteste Wirtschaftsauskunftei, hatte vergangenes Jahr die Öffentlichkeit mit einem Simulator überrascht, der angeblich das berühmte Scoring-System nachvollziehbar machen sollte. Natürlich hat die Schufa keineswegs ihre Zauberformel offenbart, nach der sie die Kreditwürdigkeit von Bankkunden und Verbrauchern berechnet. Vielmehr sollte die Aktion die Kritiker besänftigen, die der Auskunftei schon lange Heimlichtuerei vorwerfen. Derzeit hat die Schufa zusätzlichen Gegenwind: "Wir werden umgehend prüfen, wie die Transparenz beim Kredit-Scoring zugunsten der Betroffenen erhöht werden kann", heißt es beispielsweise im Koalitionsvertrag.

Nun könnte sich der Wind noch verstärken. An diesem Donnerstag verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gleich über zwei Fälle zum Thema Schufa. Urteile sind erst im Frühjahr zu erwarten, aber die Fragen haben es in sich. "Die Verfahren könnten einen Anstoß geben, neue Regelungen zu erlassen, die für mehr Transparenz sorgen", sagt Dieter Kugelmann, Datenschutzbeauftragter in Rheinland-Pfalz.

Rein formal betrachtet entscheidet nicht die Schufa, ob jemand kreditwürdig ist

Auslöser sind zwei Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts in Wiesbaden, dem Sitz der Auskunftei. Eine Klägerin will die Löschung von ihrer Ansicht nach falschen Eintragungen über ihre Kreditwürdigkeit durchsetzen. Das Verwaltungsgericht sah Anlass, eine heikle Frage vom EuGH klären zu lassen. Nach Artikel 22 der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat jeder das Recht, "nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung - einschließlich Profiling - beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden". Davon sind zwar gewisse Ausnahmeregelungen möglich, aber grundsätzlich gilt: Ein Mensch muss entscheiden, nicht der Computer.

Ohne Frage läuft bei der Schufa vieles, wenn nicht alles hochgradig automatisiert. Genau weiß man das nicht, weil das Prozedere zur Ermittlung des Scoring-Werts als Geschäftsgeheimnis geschützt ist, das hat der Bundesgerichtshof 2014 so entschieden. Aber klar ist, dass hier Algorithmen im Einsatz sind, die aus diversen Merkmalen der potenziellen Schuldner Bonitätswerte errechnen.

Allerdings ist es, rein formal betrachtet, nicht die Schufa selbst, die die Geschicke von Bankkunden und Verbrauchern betrachtet. "Wichtig zu wissen: Die Schufa selbst trifft keine Entscheidungen", heißt es in ihrer Datenschutzerklärung. Sie stellt die Score-Werte ihren Kunden zur Verfügung, also den Banken für die Vergabe von Darlehen, den Händlern für deren Kunden, den Telekommunikationsunternehmen für den Abschluss von Mobilfunkverträgen. Sie entscheiden dann, ob jemand kredit- oder vertragswürdig ist. Jedenfalls theoretisch.

In der Praxis hingegen ist einzig die Zahl entscheidend, die die Schufa geliefert hat - das meint zumindest das Verwaltungsgericht. Klar, "rein hypothetisch" sei auch in diesem Stadium eine "humangesteuerte Einzelfallentscheidung grundsätzlich noch möglich", schreibt das Gericht. Doch praktisch werde diese Entscheidung "in so erheblichem Maße durch den von Wirtschaftsauskunfteien übermittelten Score-Wert determiniert, dass jener gleichsam durch die Entscheidung des dritten Verantwortlichen durchschlägt". Entscheidend sei mithin der Score-Wert, nicht der Sachbearbeiter. Und genau davor wolle die DSGVO schützen: "Die betroffene Person soll keinem ausschließlich technischen und undurchschaubaren Vorgang ausgeliefert sein", folgert das Gericht - und pocht auf Transparenz und Fairness.

Ob der EuGH den Ball aus Wiesbaden aufnimmt, wird man sehen. In den sogenannten Erwägungsgründen der DSGVO klingt es eher so, als sehe der europäische Gesetzgeber den Score-Wert als bloße Vorbereitung und noch nicht als die Entscheidung selbst. Andererseits hat sich der EuGH seit Jahren durch eine sehr datenschutzfreundliche Linie hervorgetan. Da wäre durchaus ein Urteil im Sinne der Menschen drin, die dem Schufa-Scoring bisher ein wenig hilflos gegenüberstehen - möglicherweise ein Anlass für die Ampelkoalition, die deutschen Vorschriften zu überarbeiten.

Das zweite Luxemburger Verfahren illustriert die unheimliche Macht der Schufa-Daten. Dort geht es um die Restschuldbefreiung nach einer Insolvenz. Die Insolvenzgerichte machen diese Informationen öffentlich, löschen sie allerdings nach einem halben Jahr. Darf nun die Schufa diesen für Betroffene durchaus existenziellen Umstand einfach weiter speichern, bis zu drei Jahre lang? Als eine Art hauseigene Pleite-Vorratsdatenspeicherung? Auch hier setzt das Verwaltungsgericht ein großes Fragezeichen.

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