Süddeutsche Zeitung

Europäische Zentralbank:Lagarde darf Draghi beerben

Die bisherige IWF-Chefin wurde vom Europaparlament mit 394 von insgesamt 649 abgegebenen Stimmen zur neuen EZB-Präsidentin gewählt. 206 Abgeordnete sprachen sich gegen Lagarde aus.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Das EU-Parlament hat sich mit großer Mehrheit für Christine Lagarde an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. Die bisherige IWF-Chefin erhielt am Dienstag in einer geheimen Abstimmung des Europaparlaments in Straßburg 394 von 649 abgegebenen Stimmen. Insgesamt 206 Abgeordnete sprachen sich gegen die Französin aus, 49 enthielten sich. Lagarde soll Mario Draghi ablösen, dessen Mandatsperiode Ende Oktober ausläuft. Der endgültige Nominierungsbeschluss obliegt dem Europäischen Rat. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf dem Gipfeltreffen im Oktober ihr Plazet geben. Die Amtszeit eines EZB-Chefs beträgt acht Jahre.

Lagarde übernimmt ein schwieriges Erbe, nachdem Draghi vergangene Woche im EZB-Rat eine erneute Lockerung der Geldpolitik durchgesetzt hat. Im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank gab es viel Widerstand gegen die Entscheidung, das Anleihekaufprogramm erneut zu starten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Chef der Banque de France, François Villeroy de Galhau, und zahlreiche andere mächtige Notenbankchefs waren dagegen. Diese vorletzte Sitzung unter Führung von Draghi trieb einen Keil in das 25-köpfige Gremium, denn eine solch vehemente und zahlenmäßig starke Opposition gab es selten. Lagarde muss diese Konflikte ab 1. November schlichten. In ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament hat die ehemalige französische Finanzministerin angekündigt, sie werde die geldpolitische Strategie der EZB überprüfen. Der Leitzins liegt seit Jahren bei null Prozent; zuletzt hatte Draghi die Strafgebühr für Bankeinlagen auf 0,5 Prozent erhöht. Diese Instrumente gelten damit als weitgehend ausgereizt. Auch das Inflationsziel von zwei Prozent möchte Lagarde überprüfen. Die Teuerung in der Euro-Zone bleibt seit Jahren hinter den Erwartungen der Währungshüter zurück.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019
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