Süddeutsche Zeitung

Europäische Zentralbank:Eine Frau soll Bankenaufsicht führen

Berlin und Paris wollen ein Zeichen setzen. Nach dem Streit über die Besetzung des EZB-Direktoriums nur mit Männern soll nach SZ-Informationen eine Frau die Spitze der europäischen Bankenaufsicht übernehmen. Im Gespräch sind zwei Kandidatinnen: eine Französin und eine Deutsche.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Die geplante zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Länder soll eine Frau leiten. Wie am Dienstag aus Verhandlungskreisen in Brüssel zu erfahren war, dringen vor allem Berlin und Paris darauf, den Chefposten weiblich zu besetzen. Da die Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden soll, rückte damit auch eine Frau in die Chefetage der Notenbank auf. "Die Mitgliedsstaaten wissen, dass sie sich dem Druck, europäische Spitzenjobs an Frauen zu vergeben, nicht länger widersetzen können", sagte ein Unterhändler der Süddeutschen Zeitung. Die Berufung einer Frau sei "ein Zeichen".

Insbesondere das Europäische Parlament fordert vehement, dass Frauen in der EZB mitentscheiden sollen. Die Abgeordneten kritisieren, dass die Notenbank, die in der Krise bereits mehrmals die Euro-Zone retten musste, in den entscheidenden Positionen ausschließlich männlich besetzt ist. Vor zwei Wochen votierte das Plenum deshalb parteiübergreifend gegen die Berufung des Luxemburger Zentralbankers Yves Mersch in das Direktorium der Bank. Mit seiner Ernennung wäre die männliche Dominanz bis 2018 zementiert, erklärten die Abgeordneten.

Mit der Berufung einer weiblichen Chef-Aufseherin könnten die Euro-Länder den seit Monaten schwelenden Streit elegant lösen: Es säße eine Frau in der Chefetage der EZB, zugleich könnte Mersch aufrücken, schließlich fiele das zentrale Argument gegen ihn weg - dass es keine Frau in der Chefetage der EZB gibt. Schon auf dem EU-Gipfel im Dezember, auf dem die europäischen Staats- und Regierungschefs die gesetzlichen Grundlagen der geplanten Bankenaufsicht beschließen wollen, soll über den Chefposten entschieden werden.

Damit überhaupt eine Frau berufen werden kann, haben die Unterhändler den ursprünglich vorgeschlagenen Gesetzestext für die Aufsicht geändert. Zunächst sollte der Chefaufseher aus der Chefetage der EZB gewählt werden - es wäre zwangsläufig wieder ein Mann geworden. Berlin und Paris setzten deshalb durch, dass der Chefaufseher aus einem Kontrollrat gewählt wird, dem neben EZB-Mitgliedern auch nationale Aufseher angehören. Dort gibt es starke weibliche Chefs. Damit sei der Weg für eine Frau frei, sagte Binnenmarktkommissar Michel Barnier der Süddeutschen Zeitung. Es sei "dem zukünftigen Kontrollrat vorbehalten, seinen Präsidenten zu ernennen". Er gehe davon aus, dass der Kontrollrat seine Entscheidung "so ausgewogen wie möglich" treffen werde.

Unterhändlern zufolge wollen Berlin und Paris den Posten unter sich ausmachen. In beiden Ländern leiten starke Frauen die nationalen Aufsichtsbehörden: Elke König führt die deutsche Bafin, Danièle Nouy steht der französischen Aufsicht als Generalsekretärin vor. EU-Diplomaten sehen die Französin in leichtem Vorteil. Was nicht an der fachlichen Kompetenz liegt, da sind beide unbestritten, sondern an typisch europäischen Rechenspielen. Wenn die neue Aufsicht in Frankfurt angesiedelt wird, sorge eine französische Chefin für das nötige "diplomatische Gleichgewicht", hieß es in Brüssel.

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SZ vom 07.11.2012/mahu
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