Europäische Zentralbank:Draghis Ausblick

Europäische Zentralbank: Immer wachsam: Mario Draghi ist der Chef der Europäischen Zentralbank, seine Geldpolitik ist umstritten.

Immer wachsam: Mario Draghi ist der Chef der Europäischen Zentralbank, seine Geldpolitik ist umstritten.

(Foto: Michael Probst/AP)

Die Preise in Europa steigen wieder. Doch was tun die Europäische Zentralbank und ihr Präsident Mario Draghi? Sie halten vorerst an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Im Laufe des Jahres könnte sich das aber ändern.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mario Draghi sagt oft nicht viel, sondern beschränkt sich auf wenige, wichtige Worte. Diesmal aber geht es darum, was er nicht gesagt hat. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) wies sogar von sich aus darauf hin, was fehlte.

Draghi verliest nach jeder EZB-Ratssitzung bei der Pressekonferenz ein etwa 15 Minuten langes Statement. Die Finanzmarktprofis achten manisch darauf, ob nur ein einziges Wort verändert wurde. Jetzt fehlte ein ganzer Satz, wie Draghi am Donnerstag in Frankfurt ungefragt erzählte, nämlich jener, in dem die EZB stets versprochen hatte, im Ernstfall "alle vorhandenen Instrumente zu nutzen". Darunter fällt etwa der Ankauf von Aktien, den die EZB nun vorerst ausgeschlossen hat. "Ich erwähne das, um zu signalisieren, dass sich das Klima in der Euro-Zone verbessert hat", sagte Draghi. "Wir können aber nicht sagen, dass wir das Ziel erreicht haben."

Man kann diese Episode durchaus als Signal verstehen, dass die EZB noch in diesem Jahr ihre lockere Geldpolitik zurückfahren wird. Es ist natürlich noch nicht so weit, und offen gesagt, wird es auch nicht. Es kommt darauf an, wie die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich ausgehen.

Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung den Leitzins daher bei null Prozent belassen und auch keine Einschränkungen bei dem Anleihekaufprogramm in Höhe von 2,2 Billionen Euro vorgenommen. Aber Draghi steht unter Druck. Im Februar stieg die Inflationsrate in der Euro-Zone auf zwei Prozent. Das entspricht exakt dem selbstgesteckten Ziel der Notenbank. In den vergangenen Jahren, als die Teuerungsrate mitunter sogar negativ war und eine gefährliche Deflation drohte, konnte Draghi stets mit Fug und Recht seine Geldschwemme und den Nullzins mit dem Hinweis verteidigen, dass man das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen habe.

Jetzt wächst Europas Wirtschaft und die zwei Prozent Inflation sind erreicht, doch die EZB pumpt in diesen Zeiten mehr Geld ins Finanzsystem als während der großen Krise 2008 und 2012. Das kann man nur schwer erklären, vor allem in Deutschland, wo die Inflationsrate sogar bei 2,2 Prozent liegt. Deutsche Sparer, die ihr Geld auf dem Girokonto bei null Prozent Zins bunkern, verbuchen nun Verluste. Entsprechend groß ist der Ärger hierzulande. Andererseits profitieren manche Bürger von niedrigen Bauzinsen. Zudem gab es auch zu Bundesbankzeiten lange Phasen, in denen die Inflationsraten über dem Sparzins lagen. Doch das ist lange vergessen.

Auch deshalb kann sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ungeniert für einen Ausstieg der EZB aus der ultralockeren Geldpolitik aussprechen. "Je länger die Niedrigzinsphase andauert, umso größer werden die Belastungen", sagte Schäuble am Donnerstag bei einer Bankenkonferenz in Berlin mit Blick auf die Geldinstitute. "Deshalb werbe ich für einen rechtzeitigen Einstieg in den Ausstieg." So verständlich das unablässige Lamento in Deutschland auch sein mag, es unterstreicht nur, wie schwierig der Job der EZB wirklich ist.

Draghi macht Geldpolitik für die ganze Euro-Zone. Dabei bräuchte jedes einzelne Euro-Land eine ganz eigene und andere Geldpolitik. In Deutschland könnten die Leitzinsen beispielsweise durchaus höher sein, weil die Wirtschaft brummt. In Spanien auch, weil dort die Inflation sogar bei drei Prozent liegt. In Italien, Griechenland und Portugal ist der Nullzins für die dortige Wirtschaft wichtig. Die EZB orientiert ihre Geldpolitik an Durchschnittswerten für die ganze Währungsunion. Aus diesem Grund entfalten die Maßnahmen unweigerlich eine gewisse Streuwirkung.

Es ist alles besser geworden: Die Wirtschaft wächst, die Arbeistlosigkeit sinkt

Dennoch steckt die EZB in der Klemme, denn Draghi bestätigte nun, dass die Inflationsrate im Euro-Raum in den nächsten Monaten bei zwei Prozent bleibt. Für das Gesamtjahr rechnet die Notenbank mit einem Preisanstieg von 1,7 Prozent. Das steht im deutlichen Gegensatz zu einer Geldpolitik, die Notstandscharakter hat.

Warum dreht die EZB den Geldhahn nicht einfach zu und fertig?

Das Problem: Die EZB ist wie ein Tanker auf hoher See. Die Wendemanöver brauchen Zeit, und sie müssen gut vorbereitet werden. An den Finanzmärkten bräche das Chaos aus, wenn die EZB über Nacht beidrehen würde. Daher verändert die EZB peu à peu ihre Kommunikation, etwa dadurch, dass man ganze Sätze plötzlich aus dem Eingangs-Vortrag des EZB-Präsidenten tilgt. Draghi wies auch darauf hin, dass der EZB-Rat eine Neuauflage der Not-Kredite für Europas Banken nicht diskutiert habe. Auch das ist ein Signal dafür, dass die EZB ihren Kurs ändern möchte, allerdings sehr vorsichtig. Mit ihrer Geldpolitik schafft die EZB auch einen Schutzraum für die Euro-Zone, falls EU-feindliche Politiker in Frankreich oder in den Niederlanden an die Macht kommen.

Draghi äußerte sich auffallend optimistisch zu Europas Wirtschaft. Das Wachstum sei gut und die Arbeitslosenrate liege so niedrig wie zuletzt im Jahr 2009. Die offene Frage sei jedoch, ob die Inflationsrate sich auch langfristig nach oben bewege. Der Hauptgrund für die starke Teuerung liegt an den Energiemärkten. Der Ölpreis ist derzeit viel teurer als im vergleichbaren Vorjahresmonat. Dieser Effekt wird sich abschwächen. Es gebe bei der Inflation "noch keinen klaren Aufwärtstrend", so Draghi.

Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel spricht von einer verpassten Chance, den Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik einzuleiten. "Die Anleihekäufe waren eine Reaktion auf die Sorge, dass die Euro-Zone in eine Deflation rutschen könnte - davon sind wir inzwischen aber weit entfernt", so die Bonner Wirtschaftswissenschaftlerin. Sie warnt: "Der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik wird immer schwieriger, je länger man an ihr festhält."

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