Süddeutsche Zeitung

Europäische Zentralbank:Mehr Fed, weniger EZB

Mario Draghi geht neue Wege - und gleicht seinen Kurs immer mehr dem der US-Zentralbank an: Die Währungshüter tagen nur noch alle sechs Wochen, machen ihre Protokolle öffentlich und fluten den Markt mit noch mehr Geld.

Von Andrea Rexer, Frankfurt

Drüben in Washington machen sie es schon seit Langem - und nun haben sie es auch in Frankfurt vor: Die Europäische Zentralbank wird künftig nur noch alle sechs Wochen über ihre Leitzinsen entscheiden, sie wird - um ihre Politik besser zu erklären - künftig ihre Protokolle veröffentlichen.

Und auch bei der Politik des lockeren Geldes nähern sich Mario Draghi und die Euro-Währungshüter immer mehr der amerikanischen Federal Reserve an; sie wollen die Märkte mit noch mehr Geld fluten. Selbst jene radikale Maßnahme, die die Amerikaner "Quantitative Easing" nennen, also der regelmäßige, systematische Aufkauf von Wertpapieren, wird immer wahrscheinlicher.

So besehen waren es gleich vier Maßnahmen, mit denen sich die europäischen Notenbanker am Donnerstag bei ihrer Ratssitzung dem Kurs der amerikanischen Kollegen annäherten.

Maßnahme eins: Künftig werden die 23 Mitglieder des EZB-Rats nur mehr alle sechs Wochen statt wie bisher alle vier Wochen eine Entscheidung über die Höhe der Leitzinsen treffen. "Der monatliche Rhythmus war zu eng", sagte Draghi am Donnerstag. "Die häufigen Sitzungen wecken falsche Erwartungen. Es entsteht der Eindruck, dass wir ständig handeln müssten", begründete Draghi den Schritt. Und das sei nicht immer notwendig. Würden die Erwartungen enttäuscht, gebe es Konsequenzen - ohne ökonomischen Grund. Der längere Abstand zwischen den Entscheidungen passe auch besser zur Geldpolitik, denn die basiere schließlich auch auf mittel- bis langfristigen Erwartungen, so Draghi.

Die Anleger sind begeistert - der Dax stieg sofort wieder

Maßnahme zwei: Die EZB hat nach langen Diskussionen beschlossen, die Protokolle ihrer Sitzungen ab dem Januar 2015 zu veröffentlichen. Wie detailliert diese Protokolle ausfallen sollen, ist indes immer noch nicht entschieden, gab Mario Draghi zu. Derzeit würden "Trockenübungen" durchgeführt, auf deren Basis dann entschieden werden soll, welche Variante die beste ist.

Aus EZB-Kreisen ist zu hören, dass es dabei um Fragen geht wie beispielsweise die, ob die Namen bei den Argumenten stehen dürfen, in welcher Reihenfolge die Wortmeldungen präsentiert werden sollen und wer wann Korrekturen an den Berichten vornehmen darf. Bisher liegen die Mitschriften 30 Jahre unter Verschluss.

Von der Offensive für mehr Transparenz erhofft sich die Notenbank ein besseres Verständnis ihrer Geldpolitik. In der Finanzkrise ist die EZB zu einem zentralen Akteur geworden, obwohl sie nicht demokratisch legitimiert ist. Auch diese Kritik will die Notenbank damit entkräften. Denn jedem Treffen der Notenbank fiebern die Finanzmärkte entgegen - schließlich hat eine Änderung des Leitzinssatzes eine enorme Auswirkung auf Finanzprodukte. Nichts scheuen Notenbanker so sehr, wie falsche Signale an die Finanzmärkte zu senden.

Wie sensibel die Börsen auf die Worte des EZB-Präsidenten reagieren, zeigte sich auch an diesem Donnerstag wieder: Während die Pressekonferenz noch lief, stieg der deutsche Aktienleitindex Dax wieder auf über 10 000 Punkte.

Maßnahme drei: Draghi hat betont, dass die EZB bereit sei, auch ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Situation es erfordere. Ausdrücklich nannte Draghi den Kauf von besicherten Krediten, so genannten ABS (Asset Backed Securities). Die EZB könnte gezielt diese Papiere kaufen und so Geschäftsbanken entlasten, die dann Freiräume für neue Kredite hätten. Die EZB lege Wert darauf, dass es sich dabei um "einfache" und "reale" Papiere handle, betonte deren Chef. Er spielte damit auf Befürchtungen an, die Notenbank könnte sich mit jenen riskanten Wertpapieren vollsaugen, die in der Finanzkrise für hohe Verluste gesorgt hatten.

Maßnahme vier: Außerdem gibt es einmal mehr billiges Geld in Milliardenhöhe für Banken. Damit soll vor allem die Kreditklemme in den Euro-Krisenländern Südeuropas gelöst werden. Denn die Mittel sind zweckgebunden für die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft.

Insgesamt habe das im Juni angekündigte Programm maximal ein Volumen von einer Billion Euro, sagte Draghi. Er hatte bereits für September und Dezember zwei Geldspritzen über rund 400 Milliarden Euro angekündigt. Zudem soll es zwischen März 2015 und Juni 2016 sechs weitere solcher Maßnahmen geben.

Die Institute sollen aber erst dann die Milliarden erhalten, wenn sie überdurchschnittlich Kredite vergeben. Dabei sieht die EZB unterschiedliche Regeln für Banken vor - je nachdem, ob sie in den vergangenen 12 Monaten ihre Kreditvergabe zurückgefahren oder ausgeweitet haben.

Erst vor vier Wochen hatte die EZB ein bisher beispielloses Paket im Kampf gegen niedrige Inflation und das schleppende Wirtschaftswachstum aufgelegt: Sie senkte den Leitzins im Euroraum von 0,25 Prozent auf 0,15 Prozent und führte einen Strafzins für Geschäftsbanken ein, die Geld bei der Notenbank parken.

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SZ vom 04.07.2014/fie
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