Europäische Zentralbank:Deutsche Rochade im Eurotower

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Geht nach Berlin: Jörg Asmussen

(Foto: John Macdougall/AFP)

Wer ist Sabine Lautenschläger, die mögliche neue Direktorin der Europäischen Zentralbank? Und warum geht Jörg Asmussen? Das Ansehen der Zentralbank ist gefährdet, wenn so viele Deutsche vorzeitig ihren Job quittieren. Doch es gibt auch einen Vorteil.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist als Arbeitgeber nun wirklich nicht die schlechteste Adresse. Doch in der Führungsspitze der Währungshüter fühlen sich deutsche Vertreter augenscheinlich nicht wohl genug, um einmal geschlossene Arbeitsverträge pflichtgetreu zu erfüllen.

Nun hat auch Jörg Asmussen das Handtuch geworfen. Der mächtige EZB-Direktor möchte nicht mehr, stattdessen wird er wieder Staatssekretär, diesmal im Arbeits- und Sozialministerium. Er wolle näher bei seiner Familie sein, die in Berlin und nicht in Frankfurt wohnt, sagte er.

Asmussen hat neben EZB-Chef Mario Draghi eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen der Rettungspakete für klamme Euro-Staaten gespielt. Später kontrollierte er auch die Einhaltung der Kreditkonditionen in den Nehmerländern im Rahmen der Troika. Der international gut vernetzte Volkswirt galt als Außenminister der EZB.

Asmussens Rückzug wäre weniger bemerkenswert, wenn nicht erst im November 2011 Jürgen Stark seinen Posten im EZB-Direktorium vorzeitig aufgegeben hätte. Stark, der damalige EZB-Chefvolkswirt, wollte die Rettungspolitik Draghis nicht mehr unterstützen. Starks Vertrag wäre noch gut zwei Jahre gelaufen. Asmussen war sein Nachfolger.

Der frühere Bundesbankchef Axel Weber hatte als streitbarer Kopf im 23 Mitglieder starken EZB-Rat schon im April 2011 den Machtkampf gegen Draghi aufgegeben - ein Jahr vor Vertragsende. Nun also Asmussen nach zwei von acht vertraglich vereinbarten Jahren. Das Ansehen der EZB ist gefährdet, wenn so viele Deutsche vorzeitig aufhören. Denn so entsteht der Eindruck, Europas Notenbank sei es nicht wert, dass man den Job dort durchzieht.

Endlich eine Fachfrau

Nun ist Sabine Lautenschläger im Gespräch als Nachfolgerin von Asmussen. Die politischen Weichen sind gestellt, eine Entscheidung im EU-Ministerrat und die spätere Abstimmung im EU-Parlament stehen aber noch aus. Für EZB-Chef Draghi, der mit Asmussen insgesamt gut zurecht kam, hätte die Rochade einen positiven Effekt. Endlich würde das sechsköpfige EZB-Männer-Direktorium durch eine Fachfrau aufgewertet. Draghi hat der EZB zuletzt ein ambitioniertes Quotenziel ins Marschgepäck gegeben - vor allem in den Spitzenpositionen gibt es nur sehr wenige Frauen.

Nun wird auch spekuliert, dass die neue EZB-Direktorin und ausgewiesene Bankenexpertin Lautenschläger dann auch den wichtigen Vizeposten der EZB-Bankenaufsicht übernehmen könnte. Derzeit streiten sich drei männliche EZB-Direktoren um den Posten: Yves Mersch, Vitor Constancio und Peter Praet. Die EZB übernimmt im Jahr 2014 die Aufsicht über die 128 wichtigsten Banken der Eurozone.

Wer ist Sabine Lautenschläger?

File photo of Bundesbank Vice President Lautenschlaeger

Banken im Blick: Sabine Lautenschläger

(Foto: REUTERS)

Lautenschläger gilt als geeignete Kandidatin. Die amtierende Vizepräsidentin der Bundesbank hätte dann binnen neun Jahren eine beeindruckende Karriere hingelegt: Von der Pressesprecherin der deutschen Finanzaufsicht Bafin zur Direktorin der EZB. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellte der 49-jährigen Juristin bereits eine gute Empfehlung aus: "Es geht bei der EZB jetzt auch darum, die Aufgabe der Bankenaufsicht neu aufzubauen und da hat sie ganz große Erfahrungen."

Lautenschläger leitete bei der Bafin nach ihrer Zeit in der Presseabteilung von 2005 an die Abteilung Aufsicht über Großbanken. Im April 2008 wurde sie oberste Bankenaufseherin bei der Bonner Behörde, und 2011 zog sie als erste Frau in den Bundesbank-Vorstand ein, zuständig auch für Banken und Finanzaufsicht.

Der frühere Bafin-Präsident Jochen Sanio hat Lautenschlägers Talent gefördert, sich in komplexe Sachzusammenhänge reinzuknien und die richtigen Fragen zu stellen. Das macht sie gern, auch als rhetorischen Kniff in der Diskussion, um so ein Problem einzukreisen. Ein Beispiel: Soll man Großbanken zerschlagen? Viele Deutsche würden wohl "ja" sagen. Doch Lautenschläger meint, die Größe sei nicht entscheidend. Es komme darauf an, was die Bank macht. Außerdem brauche Deutschland Großbanken, sonst nähmen ausländische Großinstitute das Geschäft mit. Und das möchte sie nicht. Man müsse eben alles zu Ende denken, meint sie.

Folglich ist die Welt der Sabine Lautenschläger nicht schwarz-weiß. Die gebürtige Stuttgarterin sieht die Welt in vielen Graustufen. Deshalb gebe es auch nicht die eine perfekte Lösung zur Bankenkontrolle. "Man braucht einen ganzen Instrumentenkoffer", sagt sie schon seit Jahren. Außerdem müsse man sich klarmachen, dass das Bankgeschäft immer Risiken berge. Die klassische Aufgabe einer Bank sei es, Risiken gut zu managen.

Lautenschläger gilt unter Kollegen als sehr umgänglich und offen. Sie pflegt im Umgang mit den Bankern, die sie kontrolliert, eine professionelle Freundlichkeit. Diese hat sie während ihres Studiums in den USA schätzen gelernt, vor allem wenn Gespräche hitzig werden.

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