Europäische Zentralbank:Der unerwünschte Gast

Mario Draghi Visits The Bundestag

EZB-Präsident Mario Draghi trat im Bundestag auf.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Die Union lässt EZB-Chef Mario Draghi nur hinter verschlossenen Türen im Bundestag reden. Der zur Verschwiegenheit Verpflichtete nutzt den Besuch trotzdem.

Mario Draghi hat am Mittwoch in Berlin eine bemerkenswerte Offensive hingelegt. Der per Mandat zur Verschwiegenheit verpflichtete und deshalb gewöhnlich wortkarge Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ließ nicht nur gleichzeitig mit seiner Rede im Bundestag den Text (auf Deutsch) veröffentlichen, er sagte auch eine Pressekonferenz zu und einen TV-Auftritt zur besten Sendezeit. Draghi ließ keinen Zweifel daran, dass er vor allem ein Ziel hatte: so vielen deutschen Sparern wie möglich seine Geld- und Zinspolitik zu erklären. Ganz nach dem Motto, mit dem er einst die Euro-Zone rettete: zu tun, was auch immer nötig ist.

Nötig war die Offensive des Notenbankpräsidenten vor allem, weil Unionsfraktionschef Volker Kauder zuvor verfügt hatte, dass Draghi seine Geldpolitik im Europaausschuss des Bundestags hinter verschlossenen Türen zu erklären habe. Die EZB hatte darum gebeten, Draghi in dem Land, in dem er zum erklärten Gegner der Sparer erkoren wurde und in dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ihn für Stimmengewinne rechter Parteien verantwortlich gemacht hatte, in einer öffentlichen Ausschusssitzung reden zu lassen. Die Union blockte, gegen den Widerstand von SPD und Grünen.

Für die Politik war es nicht erfreulich, was Draghi zu sagen hatte: Die Regierungen seien gefordert, die Politik der EZB durch wirtschaftspolitische Reformen zu unterstützen. Ansonsten werde es keine kräftige und nachhaltige Erholung geben. "Diese anderen Maßnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass die Zinsen wieder steigen".

Draghi nahm sich viel Zeit, die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Zinsen zu erklären. Die Bedenken der Anleger würden in Deutschland "mit größerer Lautstärke" vorgetragen, sagte er anschließend wie zur Begründung. Wir sollten nicht vergessen, sagte Draghi, und es hörte sich an wie ein Appell an die Abgeordneten, "dass die Menschen in Ihren Wahlkreisen auf sehr unterschiedliche Weise" von den EZB- Maßnahmen betroffen seien. "Sie sind Sparer, Kreditnehmer oder Steuerzahler - häufig in einer Person". Was jemand an Zinsen verliere, spare er bei niedrigen Kreditraten.

Draghi wäre nicht Draghi, hätte er sich nicht auf anderem Wege die Deutungshoheit über seine Politik zurückgeholt. Und seine Botschaft an die Gastgeber in freundliche Worte gekleidet: Er dankte für die Einladung, den Gedankenaustausch "mit denjenigen, die am kundigsten sind, was die Bedürfnisse der Bevölkerung angeht", für Lob und Respekt und die Achtung der Unabhängigkeit der Bank. Es klang wie: war gut geredet zu haben, ändern tue ich nichts, weil ich für 19 Staaten da bin, nicht für einen. Zurück blieb am Mittwoch eine Frage für Kauder und die Union: Warum darf ein Notenbankchef nicht öffentlich im Bundestag sprechen, wenn er sich den deutschen Sparern erklären will?

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