Europäische Bankenaufsicht:Ein Hauch von Bankengeschichte

Es ist eine Lehre aus der Finanzkrise: Die 17 Euro-Staaten einigen sich auf eine gemeinsame Bankenaufsicht. Die Details des Plans waren lange umstritten, jetzt soll die Macht bei der Europäischen Zentralbank liegen. Doch das könnte sich schon in wenigen Jahren wieder ändern.

Von Javier Cáceres, Brüssel, und Andrea Rexer, Frankfurt

Als die Schlacht geschlagen war und der Kompromiss zur zentralen europäischen Bankenaufsicht auf dem Tisch lag, lehnte sich der französische EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier besonders weit aus dem Fenster. "Meine Überzeugung ist, dass wir fast alle Bankenkrisen der letzten Jahre hätten verhindern können, wenn wir in der Vergangenheit einen solchen Aufsichtsmechanismus gehabt hätten", sagte Barnier. Widerlegbar ist das nicht, Zeit kann man bekanntlich nicht zurückdrehen. Aber dass am Dienstag durchaus ein Hauch von Geschichte, Bankengeschichte zumindest, durch das kalte Brüssel wehte, lässt sich kaum von der Hand weisen.

Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise verleihen sich die 17 Euro-Zonenländer eine gemeinsame Aufsicht. "Seit der Einführung des Euro ist es der größte Schritt zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik in Europa", sagte Sven Giegold, Verhandlungsführer der europäischen Grünen. Eine zentrale Aufsichteinzuführen, war im Prinzip Ende vorigen Jahres beschlossen worden. Doch die Debatte über die Details zog sich hin. Die Aufsicht soll schrittweise, bis März 2014, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt aufgebaut werden. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen den Kompromiss der Unterhändler noch absegnen. Dazu muss die Einigung in einen verbindlichen Rechtstext umgewandelt werden, der bis Juni verabschiedet werden soll.

Neben den 17 Euro-Staaten können auch alle anderen EU-Länder am Aufsichtsmechanismus teilnehmen. Sie bekommen zwar einen Sitz im obersten Gremium der neuen Aufsicht, dem sogenannten "supervisory board", die Entscheidungen muss aber laut EU-Vertrag der EZB-Rat fällen - und darin sitzen nur Euro-Staaten. Das könnte weitere EU-Staaten von der Teilnahme abhalten. Künftig werden die rund 150 größten Banken direkt von der EZB beaufsichtigt, die restlichen 6000 kleineren Häuser verbleiben unter Aufsicht der nationalen Behörden. In Notenbankkreisen geht man davon aus, dass auch bei der direkten Aufsicht der Großbanken die nationalen Behörden einiges mitzureden haben. Denn die Aufsicht soll durch gemischte Teams erfolgen. Das heißt: Nur ein Viertel des Personals in den jeweiligen Teams würde aus der EZB kommen, drei Viertel würden von nationalen Aufsehern gestellt.

Keine Dauerlösung

Ein zentrales Problem bei den Verhandlungen war die Frage, wie die Unabhängigkeit der Notenbank garantiert werden kann. Deswegen wurde in Brüssel auch bis zuletzt massiv um den Umfang der Rechenschaftspflichten der EZB gegenüber dem Parlament gerungen. Künftig wird das Europaparlament eine Reihe von Rechten erhalten, etwa um Untersuchungen durchführen zu können. Zudem werden die Europaabgeordneten bei der Berufung der Chefs der EZB-Aufsicht mitreden dürfen.

Möglicherweise wird die Aufsicht bei der EZB jedoch keine Dauerlösung bleiben. Der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot sagte bei einer Tagung in Frankfurt, die EZB könnte nach etwa zehn Jahren diese Aufgabe wieder abgeben, um ihre geldpolitische Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Ähnlich hatte sich zuvor bereits EZB-Direktor Jörg Asmussen geäußert.

Lagarde warnt vor Alleingängen

Lob für die gemeinsame Aufsicht kam von internationaler Seite: Sie spiele eine "zentrale Rolle" im Veränderungsprozess der Bankenbranche, sagte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds in Frankfurt. Dennoch mahnte sie weitere Anstrengungen in der globalen Regulierung an. "Die Struktur ist nach wie vor erst zur Hälfte fertig und deswegen auch nicht sicher", so Lagarde. Was die Chefin des Währungsfonds besonders beunruhigt, sind die nationalen Alleingänge einiger Staaten. Als Beispiel nannte Lagarde die Eigenkapitalregeln "Basel III", die ursprünglich alle Banken weltweit gleichzeitig einführen sollten, nun aber in den USA erst verspätet eingeführt werden sollen.

Ähnlich argumentierte Anshu Jain, Co-Vorstandschef der Deutschen Bank: Er kritisierte die Pläne der USA scharf, von ausländischen Banken zusätzliches Kapital zu verlangen. Auch die unterschiedlichen europäischen Vorschläge für Trennbankensysteme würden dem Grundsatz der gleichen Spielregeln fundamental widersprechen. Die Kapitalregeln nach "Basel III" bezeichnete er hingegen als "gute und notwendige" Regulierung. "Unser Hauptziel muss es sein, dass Banken Pleite gehen können", forderte der Deutschbanker. Denn es sei nicht akzeptabel für die Gesellschaft, wenn Steuerzahler in die Haftung gehen müssen. Die neuen Kapitalregeln würden zentral dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.

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