Europäische Banken:Eine Billion Euro in faulen Krediten

Die Schuldenkrise in Südeuropa sorgt für schlechte Zahlen bei den Banken: Wirtschaftsprüfer haben errechnet, dass sich in den Bilanzen europäischer Geldhäuser immer mehr faule Kredite finden. Ihre Summe ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen - auf inzwischen mehr als eine Billion Euro.

Harald Freiberger, Frankfurt

Die europäische Schuldenkrise ist doppelt so schlimm wie die Finanzkrise, die vor vier Jahren mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt fand. Das ist der Schluss, der sich aus einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) ziehen lässt. Demnach gab es bei den europäischen Banken Ende 2011 doppelt so viele faule Kredite von Verbrauchern, Häuslebauern oder Unternehmen wie Ende 2008.

Ein notleidender Kredit ist eine Verbindlichkeit, deren Zins und Tilgung vom Schuldner nicht fristgerecht bezahlt wurde. Ihre Summe bei allen europäischen Kreditinstituten belief sich Ende des vergangenen Jahres auf 1,05 Billionen Euro. Vier Jahre zuvor hatte die Zahl erst bei gut 500 Milliarden Euro gelegen. Seitdem ist sie kontinuierlich gestiegen, von 2010 bis 2011 noch einmal um neun Prozent.

Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung in Südeuropa hat im vergangenen Jahr erwartungsgemäß zu mehr Zahlungsausfällen geführt", sagt PwC-Vorstand Markus Burghardt. Angesichts der schlechten Konjunkturperspektiven sei eine Trendwende in Südeuropa noch nicht zu erkennen. Sein Beratungshaus ermittelte die Daten aus Statistiken der Notenbanken und aus den Geschäftsberichten von Banken.

Banken werden ihre Problem-Kredite immer schwerer los

Besonders in den südeuropäischen Schuldenstaaten, die seit zwei Jahren die Schlagzeilen bestimmen, ist die Zahl fauler Kredite drastisch gestiegen. Die Statistik ist ein Spiegel dessen, wie tief die Wirtschaftskrise sich in ein Land hineingefressen hat: So stieg die Summe der notleidenden Verbindlichkeiten 2011 in Spanien um 23 Prozent auf 136 Milliarden Euro, in Italien um 37 Prozent auf 107 Milliarden Euro und in Griechenland sogar um 50 Prozent auf 40 Milliarden Euro. In Deutschland ist die Lage dagegen nicht dramatischer geworden: Die Summe der Problem-Kredite blieb konstant bei 196 Milliarden Euro.

Zu den faulen Krediten kommen europaweit laut PwC noch 1,5 Billionen Euro an Kreditportfolios, die zwar nicht notleidend sind, die für die Banken aber nicht mehr zum Kerngeschäft zählen und deshalb abgebaut werden sollen. Das aber ist für die Geldhäuser ein Problem: Sie werden ihre Problem-Kredite immer schwerer los. Europaweit trennten sich Banken im vergangenen Jahr nur von 36 Milliarden Euro an faulen oder unerwünschten Krediten, in den ersten sechs Monaten von weiteren 27 Milliarden.

Vor der Finanzkrise war es üblich, notleidende Kredite zu bündeln und verbilligt an Investoren zu verkaufen. Diese trieben die Schulden dann meist mit Gewinn ein. Doch die Finanzkrise ließ zunächst nur notleidende Kredite massenhaft komplett ausfallen. Das machte dieses Geschäftsmodell zunichte. Es gibt kaum mehr Investoren, die sich für Kreditportfolios von Banken interessieren. Deshalb müssen die Geldhäuser die Ausfallrisiken stärker selbst schultern und ihre Risikovorsorge erhöhen. Das trifft besonders die ohnehin schon stark unter Druck stehenden Kreditinstitute in Griechenland, Spanien und Italien.

Neben den Problemkrediten schlummern in den Bilanzen europäischer Banken auch immer noch Staatsanleihen aus südeuropäischen Krisenstaaten in Milliardenhöhe. Zwar haben die Institute ihr Engagement deutlich verringert, doch lassen sich Anleihen mit sehr langen Laufzeiten Experten zufolge nicht so leicht verkaufen. "Die Banken, die ihre Position schnell mindern wollen, können das meist nur mit deutlichen Abschlägen", sagt Branchenexperte Dirk Müller-Tronnier von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: