Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Europas Wirtschaft schrumpft

Lesezeit: 2 min

Die EU-Kommission verkündet düstere Prognosen - am schlimmsten soll es nächstes Jahr Deutschland treffen

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die Aussichten seien "schlimm", sagte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, als er vor einem Monat über die deutsche Wirtschaft sprach. Das Bruttoinlandsprodukt werde im Jahr 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen, lautete Habecks Prognose damals. An diesem Freitag stellte die EU-Kommission ihre neuesten Vorhersagen für die 27 Länder der Europäischen Union vor, und die Erkenntnis lautet: Die Lage ist noch ein bisschen schlimmer als von Habeck befürchtet - in Deutschland und der ganzen EU.

Einen Einbruch um 0,6 Prozent sagte der zuständige Kommissar Paolo Gentiloni den Deutschen für das Jahr 2023 voraus. Deutschland ist damit, im negativen Sinn, Spitze in der EU. Nirgendwo wirken sich die hohen Energiepreise, der Verlust von Kaufkraft durch die Inflation und die allgemeine Unsicherheit wegen des Krieges so stark aus.

Allerdings befindet sich der ganze EU-Raum in wirtschaftlicher Hinsicht gerade in einem Sturzflug. Die Konjunkturerholung nach der Corona-Krise wird im laufenden Jahr noch für ein Wachstum von 3,3 Prozent sorgen, aber für das letzte Quartal dieses Jahres und das erste Quartal nächsten Jahres erwartet man nun eine Rezession. Über das ganze Jahr hinweg soll die europäische Wirtschaft, anders als die deutsche, zumindest leicht wachsen. Gentiloni nannte 0,3 Prozent, aber auch das ist kein Wert, der so richtig Mut macht.

Aufschwung erst 2024

Zeichen für einen echten Aufschwung sieht die EU-Kommission erst für das Jahr 2024. Dann werde auch die Inflation, die Ende dieses Jahres ihre Spitze erreichen werde, deutlich zurückgehen, sagte Gentiloni: von sieben Prozent 2023 auf drei Prozent. Alle diese Voraussagen stützen sich jedoch auf die Annahme, dass der Krieg in der Ukraine die Welt nicht in noch schärfere Turbulenzen stürzen wird und die Europäische Union ihre Energie-Krise in den Griff bekommt.

Paolo Gentiloni klang durchaus besorgt, als er nach den generellen Perspektiven der europäischen Wirtschaft befragt wurde. Er wolle das Wort "Deindustrialisierung" nicht in den Mund nehmen, sagte der Italiener und tat es damit doch, aber die Kommission höre durchaus die Warnungen aus der Wirtschaft. Die hohen Energiepreise, etwa im Vergleich zu den USA, seien ein eklatanter Wettbewerbsnachteil. Deshalb müsse die EU dringend zu einem "stärkeren gemeinsamen Handeln" finden, um die Preise zu dämpfen. Am Freitag debattierten die Diplomaten der 27 Staaten mal wieder über einen Gaspreisdeckel. Seit vielen Wochen dreht sich die EU bei diesem Thema im Kreis.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5694342
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.