Europa in der Krise:Mehr Milliarden werden den Euro nicht retten

Geht der Euro verloren, zerfällt auch die Europäische Union. Doch einfach weiter unvorstellbare Summen in die Gemeinschaftswährung zu stecken, wird die Krise nicht beenden. Die Politik muss endlich die eigentlichen Ursache der Krise angehen. Es bleibt nicht viel Zeit.

Cerstin Gammelin

Griechenland, Irland, Portugal, Spanien - die Rettung der Währungsunion stößt allmählich an die Grenzen dessen, was den Bürgern zugemutet werden kann. Mit unvorstellbar hohen Summen kaufen die Retter immer mehr Euro-Ländern das Risiko ab, pleitezugehen. Sie tun das, weil sie glauben, dass ansonsten die Gemeinschaft insgesamt zerbrechen könnte. Denn ginge der Euro verloren, erodiert auch die Europäische Union.

Rom Italien Trevibrunnen Münzen

Auch andere Länder wie Italien sind hochverschuldet: Ein Arbeiter sammelt Münzen ein, die Touristen in den Trevi-Brunnen in Rom geworfen haben.

(Foto: REUTERS)

Diese Analyse ist zutreffend. Umso mehr überrascht, dass sich die Euro-Retter weiter darauf beschränken, immer höhere Darlehen zur Verfügung zu stellen, und dies als alternativlos darstellen. Solange die Summen überschaubar waren, für Portugal oder Irland etwa, mag das akzeptabel gewesen sein. Aber inzwischen ahnt jeder Bürger: Mit dem Kauf von immer neuen Risiken kann der Euro nicht gerettet werden.

Es ist Zeit, die eigentliche Ursache der Krise in der Währungsunion in den Griff zu bekommen und die erheblichen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaftssysteme und Wirtschaftskulturen abzubauen.

Kollaps zu Lasten aller Bürger

Statt dieses große Ziel kraftvoll anzugehen, liegen mittlerweile Pläne auf dem Tisch, welche jenen recht geben, die vor einem Kollaps der Euro-Gemeinschaft warnen - weil die finanziellen Lasten zu groß werden. Es sind die Pläne der Euro-Gruppe, spanischen Banken mit bis zu 100 Milliarden Euro auszuhelfen und die Überlegungen der Europäischen Kommission, eine Bankenunion zu gründen.

Das alles läuft darauf hinaus, den Kollaps des Finanzsektors zu Lasten aller Bürger abzuwenden, ohne dass diese im Gegenzug die Sicherheit bekommen, dass die Krise damit eingedämmt ist.

Zunächst erscheinen die angekündigten Hilfen für einige spanische Banken harmlos. Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, mit funktionierenden Strukturen. Ganz anders als Griechenland, wo 180 Milliarden Euro Hilfsgeld offenbar versickert sind.

Fahrlässige Geschäftspolitik

Aber so harmlos ist es nicht. Mit den 100 Milliarden Euro müssen die Steuerzahler der Euro-Länder für eine fahrlässige Geschäftspolitik spanischer Banken haften - die sowohl von der Regierung in Madrid als auch von Brüssel geduldet wurde. Sie müssen für Fehler geradestehen, die sie nicht im Geringsten zu verantworten haben. Zwar soll die spanische Regierung dafür bürgen, dass das Geld zurückgezahlt wird. Aber ob die Banken so viel Gewinn erwirtschaften werden, dass sie die Kredite bedienen können, ist offen.

In ihren Büchern stehen vor allem faule Immobilienkredite. Diese Häuser, einst viel zu teuer finanziert, werden kaum zu den Preisen von einst verkauft werden können. Die faulen Papiere werden also weiter in den Bilanzen stehen.

Es bleibt nicht viel Zeit

Die spanische Bankenhilfe kann aber vor allem die Regierung in Madrid ins Straucheln bringen. Darin liegt das größte Risiko. Weil nämlich die Kredite der Euro-Retter vorrangig bedient werden müssen, fürchten Experten, dass die spanische Regierung noch höhere Zinsen zahlen muss, damit private Investoren Staatsanleihen des Landes kaufen. Madrid müsste seine Schulden mit noch mehr Geld refinanzieren als ohne Bankenhilfe. Dann aber ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der spanische Staat insgesamt unter dem Rettungsschirm sitzt.

Spanish risk premium drops following bailout

Ein Info-Panel in der Börse in Madrid zeigt das Risiko für spanische Anleihen, das nach der Zusage von 100 Milliarden Euro kurzfristig abnahm.

(Foto: dpa)

Vollends überladen wird die Euro-Rettung durch die Pläne der EU-Kommission, eine Bankenunion zu gründen. Brüssel glaubt, damit die unheilvolle Abhängigkeit zwischen den Regierungen und ihren Banken durchbrechen zu können. Die Beamten wollen Bankgeschäfte durch noch höhere Quoten für Eigenkapital absichern, eine schärfere europäische Aufsicht mit Durchgriffsrechten installieren - und im Gegenzug die bisher nationalen Fonds zur Einlagensicherung und zur Bankenrettung (etwa den deutschen Soffin) in europäische Töpfe überführen.

Diese Pläne beunruhigen. Selbst als die Bankenkrise ungehindert wütete, weigerten sich die Europäer, Kompetenzen an starke europäische Aufseher zu geben oder das Eigenkapital wirklich spürbar zu erhöhen. Von einer Bankenunion würde also nur einer profitieren: die Banken.

Währungsunion braucht Glaubwürdigkeit

Gäbe es europäische Töpfe für Bankenrettung und Einlagensicherung, ruhte die Verantwortung auf vielen Schultern, was die Banker dazu verleiten könnte, noch risikoreichere Geschäfte zu machen. Auch ein Einlagensicherungsfonds für Sparer würde nach demselben Mechanismus funktionieren - das wäre nichts anderes als Diebstahl am Sparer.

Den Europäern bleibt nicht viel Zeit, die Glaubwürdigkeit in die Währungsunion wieder herzustellen. Der Euro hat die erheblichen ökonomischen Unterschiede in den vergangenen Jahren deutlich vertieft. Sie werden nicht abgebaut, solange die Euro-Retter ihren Bürgern immer nur mehr Lasten abverlangen und die Banken schonen. Und solange die engere Zusammenarbeit lediglich darin besteht, sich über weiterhin formal selbständige nationale Politiken abzustimmen - noch dazu vor allem über Sparziele und Strafmaßnahmen.

Entweder es gelingt den Euro-Ländern jetzt schnell, für einen Ausgleich zwischen starken und schwachen Ländern zu sorgen - oder die Währungsunion muss neu zugeschnitten werden.

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