Europa in der Krise: Griechenland:Das Flüster-Thema der EU

Muss Griechenland einen Teil seiner Schulden kurzerhand ausradieren, um überhaupt eine Zukunft zu haben? Offen spricht in Brüssel keiner darüber, doch hinter den Kulissen wird bereits über eine Umschuldung Griechenlands diskutiert.

Cerstin Gammelin und Claus Hulverscheidt

Offiziell ist alles in Ordnung: Das schwer angeschlagene Euro-Mitglied Griechenland kommt bei der Sanierung der maroden Staatsfinanzen voran und kann auf die Unterstützung der EU-Kommission, der europäischen Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zählen. Eine Umschuldung, bei der die zumeist privaten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten oder längere Zahlungsfristen akzeptieren müssten, sei deshalb "kein Thema", heißt es in Athen, Brüssel, Berlin und Washington übereinstimmend.

Europa in der Krise: Griechenland: EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gilt als härtester Gegner einer Beteiligung der Gläubiger an den Kosten der Krisenbewältigung in Griechenland.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gilt als härtester Gegner einer Beteiligung der Gläubiger an den Kosten der Krisenbewältigung in Griechenland.

(Foto: AFP)

Inoffiziell ist gar nichts in Ordnung. Wo immer man sich auch umhört - es mehren sich die Stimmen derer, die eine Umschuldung über kurz oder lang für unvermeidlich halten. Noch ist es nicht so, dass diese Fraktion die Mehrheit stellen würde, wie es jüngst im Spiegel mit Blick auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) geheißen hatte. Diskutiert wird das Thema nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aber selbst in der Europäischen Zentralbank (EZB), deren Präsident Jean-Claude Trichet als härtester Gegner einer Beteiligung der Gläubiger an den Kosten der Krisenbewältigung in Griechenland gilt.

Der Grund für die Debatte ist einfach: Nach dem vereinbarten Sanierungsprogramm erhält die Regierung in Athen bis Anfang 2012 Kredite aus dem provisorischen Euro-Rettungsfonds EFSF. Vom Frühjahr 2012 an soll das Land jedoch schrittweise an die privaten Kapitalmärkte zurückkehren und sich wieder überwiegend über die Ausgabe von Staatsanleihen finanzieren. Ein aus heutiger Sicht unmöglicher Plan. Die Risikoprämie, die Griechenland derzeit auf Schuldverschreibungen mit zehnjähriger Laufzeit zahlen müsste, liegt bei untragbaren 13 Prozent. Insgesamt benötigt Athen 2012 Anschlussfinanzierungen für Bonds im Wert von 33Milliarden Euro, 15 Milliarden davon allein im ersten Quartal. Sollten die großen Ratingagenturen ihre Bonitätsnoten für Griechenland bis dahin nicht wieder deutlich heraufgesetzt haben, werden viele Anlagemanager die Anleihen gar nicht ins Portfolio nehmen dürfen - selbst wenn sie es wollten.

Eine verpflichtende Beteiligung der Gläubiger wird es - wenn überhaupt - erst geben, wenn der EFSF Mitte 2013 vom neuen dauerhaften Euro-Schutzschirm, dem ESM, abgelöst wird. "Vielleicht wird Griechenland aber nicht umhinkommen, schon vorher das Gespräch mit seinen Gläubigern zu suchen", sagt ein Spitzenvertreter aus der Gruppe der Euro-Finanzminister. Und bei der EU-Kommission wird eingeräumt, dass Fachleute "auf technischer Ebene" sehr wohl darüber diskutierten, wie eine Umschuldung Griechenlands überhaupt abgewickelt werden könnte.

Das Flüster-Thema der EU

Viele Gegner einer Umschuldung treibt die Sorge um, dass mit einer Beteiligung der privaten Gläubiger zwar der Regierung in Athen geholfen wäre, dafür aber die betroffenen Banken, Versicherungen und Investmentfonds in Schieflage geraten dürften. Am Ende könnte allerdings auch ein ganz anderer Gläubiger der Dumme sein: die EZB. Sie hat vielen großen Banken griechische Anleihen abgekauft, um einen noch dramatischeren Anstieg der Risikoprämien zu verhindern. Wäre sie nun gezwungen, Forderungen abzuschreiben, müsste der scheidende Präsident Trichet zum Ende seiner Amtszeit einen katastrophalen Fehlbetrag im Jahresabschluss ausweisen.

Griechenland

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Um all dies zu verhindern, arbeitet die griechische Regierung am nächsten Sparpaket. Nach einem Bericht der Tageszeitung Kathemerini setzt Ministerpräsident Giorgos Papandreou diesmal nicht auf Sozialkürzungen, sondern vor allem auf die Erhöhung von Verbrauchsteuern. Zudem sollen einzelne öffentlichen Einrichtungen geschlossen und Rahmentarifverträge im öffentlichen Dienst überarbeitet werden. Das auf vier Jahre angelegte Programm hat demnach ein Volumen von 25 Milliarden Euro.

Anders als Griechenland hofft Portugal weiterhin darauf, seine Probleme ohne Hilfe des EFSF in den Griff zu bekommen. Die Risikoprämien portugiesischer Staatspapiere schossen am Dienstag aber erneut in die Höhe: Zehnjährige Anleihen rentierten mit neun, fünfjährige zeitweise mit mehr als zehn Prozent. Am Freitag wollen sich die Finanzminister der 17 Euro-Länder bei einem Treffen in Gödölö bei Budapest erneut mit der Lage in dem Land am Atlantik befassen. Dabei wollen sie vom portugiesischen Kollegen Fernando Teixeira dos Santos wissen, ob es die Landesverfassung der nur noch geschäftsführenden Regierung in Lissabon überhaupt erlauben würde, einen Antrag auf Finanzhilfe zu stellen. "Wir wissen bisher nicht, ob es eine solche Ausnahmeregel gibt", heißt es in der Euro-Gruppe. Diese Unsicherheit müsse geklärt werden.

Nach Einschätzung von EU-Diplomaten hat Portugal seinen Finanzbedarf im April wohl bereits weitgehend gedeckt. Insgesamt muss die Regierung 3,5Milliarden Euro umschulden. Kritisch ist jedoch der nächste Termin im Juni. Bisher ist offen, wie Lissabon die dann fälligen Rückzahlungen finanzieren will.

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