Süddeutsche Zeitung

Europa:Champions gesucht

Europa braucht mehr weltweit tätige Konzerne - so wie es Airbus einer ist. Aber auch der deutsch-französische Luftfahrtkonzern ist erst mit massiven Hilfen der Politik entstanden. Heute wäre das nicht mehr so einfach.

Von Caspar Busse

Fast dreißig Jahre hat Tom Enders für Airbus und die Vorgängerfirmen gearbeitet. Der Mann aus dem Westerwald hat Airbus geprägt wie wenige andere, zweimal war er Vorstandschef, von 2005 bis 2007 zusammen mit dem Franzosen Noël Forgeard, und von 2012 bis April dieses Jahres dann allein. "Ich gehe mit einem guten Gefühl", sagte der 60-Jährige zum Abschied. Und: "Jetzt kommt die Phase, wo wir ernten."

In der Tat: Airbus ist heute, 50 Jahre nach dem Beginn, sehr etabliert, weltweit erfolgreich und auf Augenhöhe mit dem US-Konzern Boeing, manchmal sogar vor den Amerikanern. Bei Passagiermaschinen, bei Hubschrauber oder in der Raumfahrt mischen die Europäer ganz vorne mit, rund um Airbus ist in ganz Europa ein Ring von Zulieferern und Forschungsfirmen entstanden. In vielen Branchen, sei es in der Mikroelektronik, im Mobilfunk, bei sozialen Netzwerken, im Online-Handel, sind dagegen Konzerne aus den USA oder aus China führend. Ein globaler Champion in einer Zukunftsbranche mit Hauptsitz in Europa - davon gibt es derzeit nicht (mehr) viele. Airbus ist so einer - und Europa braucht mehr davon. Größe ist heute in der digitalen Welt entscheidender denn je.

Doch das ist nicht so einfach: Der geplant Zusammenschluss der Bahnsparten von Siemens und Alstom beispielsweise ist an der EU-Kommission gescheitert. Die beiden Firmen wollten damit gegen den übermächtigen Zughersteller CRRC bestehen. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah aber den Wettbewerb in Europa gefährdet, Alstom und Siemens stellen zum Beispiel die Hochgeschwindigkeitszüge TGV und ICE her und konkurrieren dabei um die Aufträge. Auch die geplante Fusion der Stahlsparten von Thyssenkrupp und Tata zum dann zweitgrößten Produzenten nach Arcelor-Mittal ist geplatzt, wegen des Widerstands aus Brüssel.

"Wenn solche Kriterien auf uns angewandt worden wären, wäre Airbus nie entstanden", sagt Enders. Er findet es vielmehr "absurd", wenn der Markt so definiert wird, als sei Europa eine eigene Plattform. Man müssen den Weltmarkt im Blick haben. Das hatte Airbus von Anfang an. Und der Konzern ist auch nur mit massiver staatlicher Unterstützung entstanden, auch die war nicht immer unumstritten. Deutschland und Frankreich hatten lange ihre nationale Flugzeugindustrie gefördert, auch wenn es schon früh die Erkenntnis gab, dass es nur zusammen geht. Deshalb wurde schon 1969 eine weitreichende Kooperation vereinbart. Aber es dauerte noch mal gut 30 Jahre, bis daraus auch ein europäisches Unternehmen wurde. Und lange gab es dann auch innerhalb von EADS (heute heißt der Konzern Airbus Group) ständige Eifersüchteleien und Konflikte zwischen Franzosen und Deutschen. Es war dann vor allem Enders, der gegen große Widerstände alles enger zusammenführte, den Einfluss der Politik zurück drängte und Airbus zu einem "normaleren" Unternehmen machte. Die Lehre daraus? Politiker können gute Ideen anschieben, ein guter Unternehmer ist die öffentliche Hand allerdings nicht.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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