Eurokurs:Wie der Euro vom Trump-Chaos profitiert

Eurokurs: Die Ermou-Straße in Athen, eine beliebte Einkaufsmeile.

Die Ermou-Straße in Athen, eine beliebte Einkaufsmeile.

(Foto: Thanassis Stavrakis/AP)

Ganz anders als vorhergesagt steht der Euro so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die erhoffte Zinswende könnte nun noch später kommen.

Von Alexander Hagelüken

Manche Analysten waren sich Ende 2016 sehr sicher: Europas Währung werde schon bald nur noch einen Dollar wert sein. Der Kurs falle auf 1:1, ganz bestimmt. Den Euro, nun ja, hat das eher weniger berührt. Am Dienstag stieg der Wechselkurs erstmals wieder über 1,20 Dollar pro Euro. So hoch stand Europas Währung seit Anfang 2015 nicht mehr. Damit brechen einige Gewissheiten über Amerikas wirtschaftliche Entwicklung und Europas Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes zusammen - jedenfalls für jene, die diese Gewissheiten postulierten.

Eine dieser Prognosen war bekanntlich, ein Präsident Donald Trump werde den USA einen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren. Angefeuert durch Steuersenkungen gerade für Unternehmen und eine industrielle Renaissance, was auch immer das genau sein sollte. Es kam anders. Amerikas Wirtschaft wächst zwar solide. Aber sie wuchs schon unter Vorgänger Barack Obama solide.

Auch die Eskalation zwischen USA und Nordkorea spielt eine Rolle

Positive Impulse durch Trump? Fehlanzeige. "Die Stärke des Euro ist zur Hälfte eine Schwäche des Dollar", glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Die Märkte preisen das politische Chaos unter Trump ein". Seit Jahresanfang gab der Wert der grünlichen Scheine gegenüber dem Euro um 15 Prozent nach. Was auch daran liegt, dass weitere Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank derzeit weniger wahrscheinlich sind, als es noch 2016 erwartet wurde.

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(Foto: SZ-Grafik)

Eine weitere Ursache speziell des Kursrutsches in den vergangenen Wochen dürfte die Eskalation zwischen den USA und Nordkorea sein, das am Dienstag eine Rakete über Japan abfeuerte. Der Dollar erscheint in so einer Situation nicht mehr als sicherer Hafen für das Geld der Anleger. "Alle warten jetzt auf die Reaktion von Donald Trump", sagt Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partner. "Trump hat es in der Hand, die Börsen zu beruhigen". Darauf können die Investoren womöglich lange warten.

Entscheidender als dieser Konflikt sind, wenn es nicht gerade zu einem Krieg mit Nordkorea kommt, die längerfristigen Entwicklungen. Auch die sprechen gerade für Europa. Amerikas Wirtschaft wächst schon länger solide, Europas Wirtschaft fängt - als ganzes - gerade erst richtig damit an. Das ist die Neuheit, die den Kurs des Euro treibt. Eine weitere ist die Spekulation darauf, dass die Europäische Zentralbank bald die Zinsen erhöht - und sich eine Anlage in Euro damit gegenüber einem Investment in Dollar wieder etwas mehr lohnt.

Es schrumpft das Risiko, dass die Gemeinschaftswährung auseinanderbricht

Schließlich ein dritter Grund, Euro zu kaufen: Mehr politische Stabilität. Weder hat der Brexit andere EU-Staaten dazu veranlasst, aus der Gemeinschaft zu streben. Noch wurde die Rechtspopulistin Marine Le Pen Präsidentin in Frankreich. "Der politische Teil der Euro-Stärke begann zu wirken, als Emmanuel Macron gewählt wurde - und als Angela Merkel eine Wende vollzog und seine Ideen zur Vertiefung der Währungsunion positiv bewertete", sagt Jörg Krämer.

Aus Sicht vieler Anleger werden die Perspektiven für den Euro dadurch besser. Es schrumpft das Risiko, dass die Gemeinschaftswährung auseinanderbricht. Damit rechnen aktuell nur noch acht Prozent der Anleger, die die Investmentberatung Sentix jeden Monat befragt - nahe am Rekordtief von Mitte 2014.

Wann beginnt die Euro-Stärke Europas Exporten zu schaden? Noch nicht bei 1,20 Dollar, sagt Jörg Krämer, der Wert ist historisch gesehen nicht sehr hoch. Solange der Euro aus eigener Stärke steige, also etwa wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs und der politischen Stabilität, setze das auch zusätzliche Investitionen frei. Dass der Euro nicht nur von der Schwäche des Dollar profitiert, lässt sich daran erkennen, dass er auch gegenüber dem Schweizer Franken zulegt.

Draghi könnte die Zinserhöhung wegen der Euro-Stärke noch weiter hinauszögern

Krämer weiß jedoch, dass seine gelassene Sicht auf den Euro-Kurs von einem mächtigen Akteur nicht geteilt wird: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn der Anstieg des Euro mag die seit längerem wachsende deutsche Wirtschaft kaum tangieren. Bei Ex-Krisenstaaten wie Spanien oder Italien, für deren Erholung Draghi die Geldpolitik seit langem sehr locker gestaltet, könnte dies aber anders sein. Krämer: "Das Risiko ist deutlich gestiegen, dass die EZB verbal interveniert". Womöglich nächste Woche beim Treffen der Zentralbanker. Schon 2013 nannte Draghi den damaligen Anstieg des Euro gefährlich - und schickte ihn damit auf Talfahrt.

Auswirken könnte sich die Euro-Stärke auch auf das Tempo der Zinswende in Europa. Viele Ökonomen und einige Notenbanker etwa der Bundesbank fordern schon länger, die Politik des billigen Geldes - also Nullzinsen und den Ankauf von Staatsanleihen - bald zu beenden. Denn mit der Geldflut steigt die Gefahr von Preisblasen bei Immobilien und Aktien, wie sie die Welt vor zehn Jahren in eine dramatische Finanzkrise stürzten.

Doch Draghi könnte nun die aus seiner Sicht bedrohliche Euro-Stärke als einen weiteren Anlass dafür nehmen, relativ langsam aus den Anleihekäufen auszusteigen - und eine Zinserhöhung gar bis nach 2018 hinauszuschieben.

Sobald die Perspektive auf höhere Zinsen tatsächlich in weite Ferne rückt, wird der Euro für Anleger wieder uninteressanter. Der Kurs würde schon allein deshalb wieder gegenüber dem Dollar nachgeben.

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