Verwirrung um Äußerungen von Eurogruppen-Chef Juncker:Schuldenschnitt ja, aber wie?

Steht Griechenland vor einem Schuldenschnitt? Und wie groß soll er ausfallen? Eurogruppen-Chef Juncker deutet in einem Fernsehinterview an, dass Griechenland deutlich mehr als 60 Prozent der Schulden erlassen werden könnten. Dies hätte massive Folgen. Wenig später rudert ein Sprecher zurück. Juncker sei falsch verstanden worden.

Ein möglicher Schuldenerlass für Griechenland könnte größer ausfallen als bisher erwartet: Auf die Frage, ob man von einem Schuldenschnitt von 50 bis 60 Prozent rede, antwortete Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker im österreichischen Fernsehen ORF: "Wir reden über mehr". Ein Sprecher ruderte jedoch wenig später zurück: "Die Formulierung im ORF war missverständlich." Juncker habe gemeint, dass über mehr als die aktuellen 21 Prozent Schuldenschnitt nachgedacht werde.

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Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker: "Ich schließe einen Schuldenschnitt nicht aus."

(Foto: AFP)

Ein sogenannter Haircut würde bedeuten, dass Griechenland ein Teil seiner Schulden dauerhaft erlassen wird. Für die Gläubiger, also Banken, Investoren und Staaten, hätte das massive Folgen: Sie müssten auf viel Geld verzichten, das sie in griechische Staatsanleihen investiert haben.

Griechenlands Regierung blockt ab: Eine Ausweitung des Schuldenschnitts steht nach Worten von Vize-Regierungschef Theodoros Pangalos derzeit nicht zur Debatte. Die Mehrheit der griechischen Bevölkerung rechnet laut Umfragen aber mittlerweile mit einem Schuldenerlass - die Frage ist lediglich, wie er aussehen wird. "Feilschen vor dem "Friseurladen"", beschrieb die Athener Zeitung Ta Nea die Lage in Anspielung auf den Begriff "Haircut".

Ungeachtet davon gehen die Streiks in dem hochverschuldeten Land weiter: Nach den Beamten haben am heutigen Dienstag auch die Beschäftigten der staatlichen Raffinerien die Arbeit niedergelegt. Aus Angst vor Benzinknappheit bildeten sich lange Warteschlangen vor den Tankstellen. Weil auch die kommunalen Beschäftigten streiken, türmt sich in Athen und anderen Städten des Landes bereits der Müll.

Luxemburgs Ministerpräsident Juncker warnte: Man solle nicht denken, "dass es einfach reicht, einen brutalen Schuldenschnitt in Griechenland vorzunehmen", sagte er im österreichischen Fernsehen. "Man muss dafür Sorge tragen, dass dies nicht zu Ansteckungsgefahren in der Eurozone führt."

Europas Politiker sind alarmiert. Die Schuldenkrise habe mittlerweile eine "systemische Dimension" erreicht, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Es seien klare Entscheidungen über eine mögliche Rekapitalisierung der Banken gefordert. Für den Fall einer Staatspleite Griechenlands sollten die Institute ihr Kapital erhöhen, um die Märkte von ihrer Krisenfestigkeit zu überzeugen. Sie sollen sich also für den Ernstfall wappnen.

Dass der eintrifft, glaubt das slowenische EZB-Ratsmitglied Marko Kranjec jedoch nicht: "Ich bin mir sicher, dass Griechenland nicht bankrott gehen wird, zumindest nicht in dem Sinne, dass es andere Länder mit in den Abgrund zieht. Eine Umstrukturierung ist jedoch höchstwahrscheinlich und wird bereits diskutiert", sagte Kranjec im slowenischen Fernsehen - und ergänzte: "Der Euro wird überleben."

Die Slowakei stimmt am heutigen Dienstag als letztes Land der Eurozone über den erweiterten Euro-Rettungsschirm (EFSF) ab. Dieser kann nur wirksam werden, wenn das Land zustimmt. Das jedoch ist fraglich.

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