Süddeutsche Zeitung

Euro-Zone:Schäuble fürchtet sich nicht vor Euro-Austritt Griechenlands

  • Finanzminister Schäuble hat sich bei einer Diskussion in New York gleich zweimal überraschend deutlich geäußert: zu einem möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und dem Wechselkurs der Gemeinschaftswährung.
  • Bisher wollte er keinen Zweifel daran lassen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll. Das Tabu hat er nun gebrochen: Eine Rückkehr zur Drachme würde "in der Weltwirtschaft keinen ernsthaften Schaden anrichten".
  • Er kritisierte auch den niedrigen Wechselkurs des Euros: "Der Euro ist schwach genug."

Von Claus Hulverscheidt, New York

Chlor-Hühnchen, Griechenland, die scheinbar nicht enden wollende Konjunkturflaute - rein wirtschaftspolitisch gesehen hat Europa dem größten Handelspartner USA in den vergangenen Jahren einiges zugemutet. Und so war es vielleicht kein Wunder, dass Wolfgang Schäuble ausgerechnet seine eineinhalbtägige Reise nach New York dazu nutzte, um ein paar deutliche Worte zu sprechen. Hauptleidtragender: die Republik Griechenland, deren mögliches Ausscheiden aus dem Euro-Gebiet für den Bundesfinanzminister offenbar jeglichen Schrecken verloren hat.

Bei einer öffentlichen Diskussionsrunde in der US-Finanzmetropole sagte Schäuble, er glaube nicht, dass eine Rückkehr Athens zur Drachme "in der Weltwirtschaft ernsthaft Schaden anrichten würde". Zur Begründung verwies er darauf, dass die jüngsten wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen in Griechenland anders als in früheren Jahren keinerlei negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit anderer Euro-Krisenländer wie Spanien und Portugal mehr gehabt hätten. "Sie sehen auf den Märkten keine Ansteckung mehr", betonte der Minister und reagierte auf die anhaltenden Forderungen der USA, die Euro-Krise nach über fünf Jahren endlich zu lösen.

"Schlüssel zur Lösung liegt in Athen"

Schäuble betonte, er werde über die Frage, ob Griechenland Euro-Mitglied bleibe, nicht spekulieren. Dennoch dürften seine Aussagen in Athen für Unruhe sorgen, denn sie deuten darauf hin, dass die Bundesregierung nicht länger die Notwendigkeit sieht, Griechenland aus Furcht vor den möglichen Folgeschäden um jeden Preis in der Währungsunion zu halten.

Nachdem er sich in den vergangenen Wochen jeden Kommentar zum schwelenden Streit mit Athen verkniffen hatte, griff der Minister die seit Ende Januar amtierende Regierung unter Führung von Alexis Tsipras nun mit ungewöhnlich scharfen Worten an. Bis zum Herbst vergangenen Jahres habe sich die Wirtschaft des Landes besser entwickelt, als alle Experten erwartet hätten. "Die neue Regierung hat dann im Wahlkampf und nach der Wahl alle guten Zahlen zerstört", kritisierte Schäuble. Er bekräftigte zugleich, dass Griechenland nur dann mit der Auszahlung weiterer Hilfskredite der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) rechnen könne, wenn sich Tsipras zu einer soliden Haushaltspolitik und weiteren Reformen verpflichte. "Der Schlüssel zur Lösung der Probleme liegt in Athen und nirgendwo anders", sagte er.

Kritik am schwachen Euro - eine Folge der Geldpolitik der EZB

Einmal in Fahrt, brach Schäuble bei der Diskussionsrunde mit dem früheren US-Finanzminister Lawrence Summers gleich noch ein Tabu: Er machte deutlich, dass der anhaltende Verfall des Euro-Kurses aus seiner Sicht bald ein Ende haben muss. "Der Euro ist schwach genug", sagte er mit Blick auf die vergangenen zwölf Monate, in denen die Gemeinschaftswährung im Vergleich zum US-Dollar mehr als ein Viertel ihres Werts verloren hatte. Seine Äußerung ist höchst ungewöhnlich, da der Bundesfinanzminister konkrete Aussagen zu aktuellen Wechselkursfragen in aller Regel strikt vermeidet.

Summers verwies darauf, dass der Euro vor 15 Jahren mit einem Kurs von rund 88 US-Cents noch unter den heutigen Werten gelegen habe und dass damals erhebliche Zweifel an der Solidität der Gemeinschaftswährung aufgekommen seien. Ob diese Zweifel ihn, Schäuble, heute wieder beschlichen, wollte der Amerikaner wissen. "Ich hoffe nicht, dass der Euro so weit fallen wird, dass wir uns wieder Sorgen machen müssen", sagte Schäuble und räumte ein, dass die Europäische Währungsunion nach wie vor ein höchst unvollkommenes Gebilde sei. Allerdings sei der Euro-Verfall weder Zufall noch Schicksal, sondern die direkte Folge der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die immer mehr Geld in Umlauf bringt und den Kurs der Währung damit drückt. Sobald Europa seine Probleme gelöst und auch zu normaleren Inflationsraten zurückgekehrt sei, so Schäuble, werde auch der Euro wieder an Wert gewinnen.

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