Euro-Zone:Kleiner Topf, großer Zwist

European Finance Ministers Attend Ecofin Meeting

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagt, die Minister sollten ihre „kostbare Zeit“ lieber nicht der Reform der Euro-Regeln widmen.

(Foto: Roni Rekomaa/Bloomberg)

Die Länder der Euro-Zone planen ein gemeinsames Budget, außerdem müssten sie ihr Regelwerk überarbeiten. Doch die Gräben sind tief.

Von Björn Finke, Helsinki

Mário Centenos Prognose klingt wie ein Stoßseufzer: "Das wird wahrscheinlich eine längere Sitzung", sagt der Präsident der Euro-Gruppe mit Blick auf die nächste Tagung seines Gremiums. Denn bei diesem Treffen, im Oktober in Luxemburg, wollen sich die Finanzminister der 19 Euro-Staaten auf die Details für den neuen gemeinsamen Budgettopf einigen. Am Freitag und Samstag diskutierten die EU-Finanzminister schon einmal im finnischen Helsinki darüber - und über den Stabilitätspakt, also die Regeln, die verhindern sollen, dass Euro-Länder zu hohe Schulden anhäufen.

Beim Budgettopf gibt es zwar noch keinen Konsens, jedoch eine Annäherung, immerhin. Frankreich hatte gefordert, dass die Euro-Zone ein eigenes Budget und auch einen Finanzminister erhalten solle, um auf Krisen besser reagieren zu können. Das aber lehnten Staaten wie die Niederlande ab; als Trostpreis für die Franzosen wurde im Juni beschlossen, einen kleinen Fonds zu schaffen, der in Euro-Staaten Projekte unterstützt, mit denen Regierungen ihre Wirtschaft voranbringen wollen. Der sperrige Titel: Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit, die englische Abkürzung lautet BICC.

Der Fonds soll nur über 17 Milliarden Euro verfügen, die über sieben Jahre verteilt nach einem festen Schlüssel an die Mitgliedstaaten ausgezahlt werden - er ist folglich viel zu klein, um wirklich einen Unterschied zu machen. Das Geld stammt zunächst aus dem EU-Haushalt. Strittig ist, ob Euro-Staaten den Fonds mit Extra-Einzahlungen aufstocken sollen. Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass die BICC-Regeln solche Einzahlungen zumindest erlauben. Für diese Idee habe es "breite Zustimmung" gegeben, sagte Centeno nach den Gesprächen in Helsinki.

Jene Regierungen, die sich einen größeren Fonds oder gar einen richtigen Haushalt der Euro-Zone wünschen, setzen auf den Faktor Zeit: Wenn sich der Mini-Topf bewährt und wenn in einer neuen Krise mehr Hilfen benötigt werden, dann werden die Regierungen den Fonds schon aufstocken, so die Hoffnung. Doch dafür muss das Regelwerk die Möglichkeit solcher Einzahlungen vorsehen. Ein Teilnehmer der Euro-Gruppen-Sitzung sagte, er gehe nun davon aus, dass der Topf tatsächlich in wenigen Jahren vergrößert wird.

Zwist gibt es auch beim Stabilitäts- und Wachstumspakt: Die neue italienische Regierung wünscht sich mehr Flexibilität bei den erlaubten Höchstgrenzen für Defizite. Die Vorgängerregierung des stark verschuldeten Landes stritt mit der EU-Kommission ausdauernd über den Haushaltskurs. Außerdem klagen Minister und Fachleute, dass die Regeln nach diversen Anpassungen zu kompliziert sind. Die Spielräume sind groß, es ist schwer zu verstehen oder vorherzusagen, welche Fehlbeträge noch in Ordnung sind und welche nicht. Ein Beratergremium der EU, der Europäische Fiskalausschuss, hat das Regelwerk daher untersucht. Am Samstag stellte Präsident Niels Thygesen den Finanzministern Ergebnisse und Reformvorschläge vor.

Die Debatte darüber zeigte prompt, wie tief die Gräben sind zwischen denjenigen Regierungen, denen Haushaltsdisziplin wichtig ist, und den Anhängern eines laxeren Ansatzes. "Die Minister waren sich nicht sehr einig", sagte Thygesen, ein dänischer Volkswirt. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte deswegen bereits vor der Sitzung gesagt, er sei "sehr vorsichtig bei Ideen, die Regeln zu ändern. Das wird eine sehr schwierige, sehr lange und sehr unsichere Debatte." Die Minister sollten ihre "kostbare Zeit" lieber anderen Themen widmen.

EU-Währungskommissar Valdis Dombrovskis sagte nach dem Treffen, viele Minister hätten sich "für mehr Einfachheit, Transparenz und Planbarkeit" ausgesprochen. Der Lette warnte aber ebenfalls davor, eine Reform des Stabilitätspaktes übereilt anzugehen. Bevor so ein Prozess gestartet werde, "müssen wir wissen, dass wir ihn mit besseren Regeln abschließen können als den heutigen". Allerdings wird die EU-Kommission das Regelwerk zum Jahresende ohnehin überprüfen. Das wird der Diskussion neuen Schwung verleihen.

Daneben berieten die Finanzminister, wie Energiebesteuerung klimafreundliche Kraftstoffe und Stromquellen unterstützen kann. Die EU hatte 2003 in einer Richtlinie Mindeststeuersätze festgelegt, doch die gelten als überholt und ungeeignet für den Kampf gegen den Klimawandel. So berücksichtigen die Vorgaben nicht die Klimabilanz der verschiedenen Energieträger. Schon vor acht Jahren präsentierte die Kommission einen Reformvorschlag, den die Mitgliedstaaten allerdings ablehnten. Nun soll ein neuer Anlauf gewagt werden. Weil die Regierungen Änderungen bei Steuer-Richtlinien einstimmig absegnen müssen, wird das aber sehr schwer.

Große Einigkeit herrscht dagegen beim Thema Libra. Diese Kryptowährung, die der amerikanische Internetkonzern Facebook etablieren will, sehen die Finanzminister und die Europäische Zentralbank sehr kritisch. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Amtskollege Le Maire veröffentlichten in Helsinki eine gemeinsame Erklärung, in der sie vor den Risiken warnen. Die Herausgabe einer Währung "gehört zur Souveränität von Nationen" und nicht in die Hände von Firmen, heißt es da.

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