Süddeutsche Zeitung

Euro-Zone:Banken sollen Strafzinsen zahlen

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Statt Kredite zu vergeben, parken Geldinstitute 100 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank. Die EZB will das ändern - auch Bundesbank-Chef Weidmann kann sich im SZ-Interview eine Zwangsabgabe vorstellen.

Von Ulrich Schäfer und Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank bereitet sich darauf vor, den Banken in der Euro-Zone erstmals einen Strafzins abzuverlangen. Die Notenbank erwägt, den Geldinstituten einen Zins von 0,1 Prozent zu berechnen, wenn sie ihr Geld als Guthaben bei der Notenbank anlegen, anstatt es an Unternehmen zu verleihen, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Kreisen der EZB. Derzeit parken die Geldhäuser mehr als 100 Milliarden Euro bei der Notenbank.

Die EZB würde damit angesichts der Wirtschaftskrise und einer drohenden Deflation in der Euro-Zone zu einer extremen Maßnahme greifen: Noch nie hat eine große Notenbank der Welt von den Kreditinstituten einen Strafzins verlangt. Normalerweise bekommen die Banken für ihr Geld, das sie bei der Notenbank anlegen, einen Einlagezins - ähnlich wie ihn Sparer von ihrer Bank erhalten. In den vergangenen Jahren hat die EZB den Einlagezins bereits nach und nach auf null Prozent gesenkt, vor Beginn der Finanzkrise hatte er mehr als drei Prozent betragen.

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der bislang als wichtigster Kontrahent von EZB-Präsident Mario Draghi gilt, kann sich solch einen Strafzins vorstellen: "Wenn Banken Zinsen dafür zahlen müssen, dass sie ihr Geld beim Euro-System parken, dann könnte das unter anderem den Geldmarkt zwischen den Banken beleben und damit auch die Kreditvergabe an Unternehmen anregen", sagte Weidmann der SZ. Der Bundesbank-Präsident lehnt eine Reihe von anderen unkonventionellen Maßnahmen, die derzeit in der EZB diskutiert werden, nach wie vor ab, etwa den Aufkauf von Staatsanleihen. Seine Bedenken bei möglichen Strafzinsen sind hingegen geringer.

Weidmanns wichtigstes Argument: "Die Zinspolitik ist Kern unseres geldpolitischen Instrumentariums. Wenn es am Ende nötig sein sollte zu handeln, fällt der Blick des Notenbankers sicher als Erstes hierauf." Der Bundesbank-Chef betonte allerdings, dass in der EZB noch keine Entscheidung gefallen sei: "Noch ist unklar, ob wir überhaupt handeln müssen". Gleichwohl sind seine Äußerungen bemerkenswert. Denn er galt in der Vergangenheit als härtester Kritiker der von Draghi forcierten lockeren Geldpolitik.

Die Notenbanker der EZB werden über die mögliche Einführung von Strafzinsen auf ihrer nächsten Ratssitzung am 5. Juni beraten. Der Einlagezins ist der zweitwichtigste Zins der EZB. Im Fokus der Öffentlichkeit steht dagegen meistens der Leitzins, also jener Zinssatz, den die Notenbank den Kreditinstituten in Rechnung stellt, wenn sie sich selber bei der EZB Geld leihen. Dieser Leitzins beträgt derzeit 0,25 Prozent. Auch er könnte bei der Ratssitzung im Juni noch weiter gesenkt werden, auf dann wohl 0,1 Prozent.

Die Währungshüter basteln seit Wochen an einem Maßnahmenpaket. EZB-Direktor Yves Mersch sagte jüngst, die "Wahrscheinlichkeit, dass der Gouverneursrat bereits auf seiner nächsten geldpolitischen Sitzung im Juni handelt, ist erheblich gestiegen." Ähnlich hatte sich in den vergangenen Tagen auch der Chef-Volkswirt der EZB, Peter Praet, geäußert.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2014
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