Süddeutsche Zeitung

Euro vs. Dollar:Die Systemfrage

Europas Unternehmen sollen Öl- und Gasgeschäfte künftig nicht mehr in Dollar abwickeln. Weil Donald Trump die US-Währung zunehmend als politische Waffe einsetzt, will die EU-Kommission die Rolle des Euro stärken.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Wenn ihm etwas gegen den Strich geht, wählt Jean-Claude Juncker deutliche Worte. Es sei schlicht "lächerlich", dass europäische Unternehmen europäische Flugzeuge nicht in Euro, sondern in Dollar kauften, sagte der EU-Kommissionspräsident in seiner jüngsten Rede zur Lage der Union. Es ergebe auch keinerlei Sinn, dass "wir in Europa unsere Energieimporte in Höhe von 300 Milliarden Euro pro Jahr zu 80 Prozent in US-Dollar bezahlen". Schließlich stammten nur etwa zwei Prozent der Öleinfuhren aus den USA. Für Juncker ist deshalb klar: "Wir müssen mehr tun, damit unsere gemeinsame Währung auf dem internationalen Parkett die Bedeutung erlangen kann, die ihr zusteht." Der Euro müsse "das Gesicht und das Werkzeug" einer neuen europäischen Souveränität werden.

Um Europas finanzielle Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, präsentierte die Kommission am Mittwoch erste Vorschläge, die beim EU-Gipfel in der kommenden Woche diskutiert werden sollen. Die Brüsseler Behörde will Europas Unternehmen dazu ermutigen, insbesondere Energiegeschäfte künftig in Euro statt in Dollar abzuwickeln. Vor allem in diesem Sektor brächte die Abhängigkeit von der US-Währung "Unsicherheiten, Risiken und Kosten mit sich", erklärte die Kommission. Eine stärkere Nutzung des Euro würde "das Risiko von Versorgungsunterbrechungen verringern und die Autonomie europäischer Firmen stärken". Da die Politik den Unternehmen nicht einfach vorschreiben kann, Öl- und Gasimporte in Euro zu bezahlen, will die Kommission Firmenchefs und Finanzexperten befragen. Im Sommer soll es einen Zwischenbericht geben.

Brüssel sieht in dem Streit über den Iran-Deal auch ein Zeichen für die Dominanz des Dollar

Der Hauptgrund für die europäische Attacke auf den Dollar ist die America-First-Politik von Donald Trump. Aus Sicht der Kommissionsspitze setzt der US-Präsident die amerikanische Währung immer stärker als außenpolitische Waffe ein - zuletzt etwa im Streit um das Atomabkommen mit Iran. Washington hatte europäischen Unternehmen mit dem Ausschluss aus dem US-Finanzsystem gedroht, sollten sie sich Sanktionen gegen Iran widersetzen. In Brüssel sieht man die Auseinandersetzung über den Iran-Deal, den Trump aufkündigte, auch als Zeichen für die Dominanz des Dollar an. Die EU kündigte deshalb bereits an, iranische Ölimporte künftig in Euro anstatt in Dollar zu bezahlen. Auch der Vorschlag von Bundesaußenminister Heiko Maas, den Zahlungsverkehr unabhängiger vom US-Dollar zu machen, war eine Reaktion auf Trumps Verhalten in Sachen Iran.

In Brüssel macht man sich allerdings keine Illusionen: Den Dollar wird der Euro nicht so schnell als Weltwährung ablösen - wenn überhaupt. Die Kommission will die amerikanische Währung auch nicht durch den Euro ersetzen; sie will aber durchaus ihre Dominanz brechen. Neben dem Euro und dem Dollar könnten auch der chinesische Renminbi und der japanische Yen für mehr Vielfalt im internationalen Währungssystem sorgen. Weltweit ist der Euro schon jetzt die bedeutendste Devise nach dem US-Dollar. Sein Anteil am internationalen Zahlungsverkehr lag laut Kommission im Jahr 2017 bei 36 Prozent; jener des Dollar mit 40 Prozent nur knapp darüber.

Nach der Asien- und Euro-Krise setzten internationale Anleger vor allem auf die US-Währung

Ganz anders sieht es bei den weltweiten Währungsreserven aus. Da liegt der Anteil des Euro bei lediglich 20 Prozent; der Dollar wiederum erreicht 60 Prozent. Dieses Missverhältnis ist vor allem der Asien- und der Euro-Krise geschuldet. Damals zogen internationale Anleger den sicheren Dollar gegenüber asiatischen und europäischen Währungen vor - und hatten seitdem auch keinen Grund, ihre Bestände groß zu verändern. Die EU-Kommission dringt deshalb darauf, dass die Euro-Staaten die Wirtschafts- und Währungsunion weiter reformieren, um den Euro krisenfester zu machen. Doch nicht nur EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat seine Zweifel daran, dass dies gelingt. Nachdem sich die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Dienstag auf ein Reformpaket geeinigt hatten, erklärte er, dass man "keine großen Schritte nach vorne" gemacht habe.

So ähnlich sieht das auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. "In der jetzigen Lage ist die Stärkung des Euro in der Welt nicht mehr als Wunschdenken", sagt Sven Giegold. Ein starker Euro sei ein richtiges, aber aufgrund des Reformstaus in der Euro-Zone gleichwohl ein realitätsfernes Ziel. "Wer sich nicht auf interne Reformen einigen kann, wird es auch nicht mit dem Dollar aufnehmen können", meint Giegold. Damit der Euro sein internationales Potenzial ausschöpfen könne, müssten grundlegende Fortschritte in der Wirtschafts- und Währungspolitik erreicht werden. Die jüngsten Reformschritte seien "eine verpasste Chance, weil sie den Euro nicht krisenfest machen".

Der christdemokratische Europapolitiker Markus Ferber ist davon überzeugt, dass der Euro nur dann eine international gewichtige Rolle spielen kann, wenn an seiner Stabilität keine Zweifel bestehen. "Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Euro-Länder ihre Staatsverschuldung im Griff haben", sagt der CSU-Mann. Deswegen sei es entscheidend, dass es nicht die geringsten Zweifel an der Einhaltung der europäischen Regeln gebe. Nur: "Es war die Kommission selbst, die die Integrität des Stabilitäts- und Wachstumspakts über die Jahre immer weiter untergraben hat, indem sie ihn zum Ausnahmenkatalog gemacht hat", warnt Ferber.

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SZ vom 06.12.2018
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