Süddeutsche Zeitung

Lösung der Schuldenkrise:Euro-Bonds sorgen für Misstöne bei Schwarz-Gelb

Euro-Bonds sind nach Ansicht von Bundeskanzlerin Merkel "nicht zielführend." Während Europa über Für und Wider gemeinsamer Anleihen streitet, legt sich Berlin quer: Beim morgigen Spitzentreffen mit Frankreichs Präsident Sarkozy werde das Thema nicht angesprochen. Die FDP droht mit dem Bruch der Koalition, sollte die Union von dieser Position abrücken.

Die Einführung von Euro-Bonds wird beim deutsch-französischen Spitzentreffen am Dienstag keine Rolle spielen. "Wir werden das Thema nicht ansprechen und haben auch keine Hinweise, dass die französische Seite dies vorhat", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin zu dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Der Weg über Euro-Bonds werde von der Bundesregierung nach wie vor als nicht zielführend angesehen. Auch das französische Präsidialamt teilte mit, die Einführung gemeinsamer europäischer Staatsanleihen werde kein Thema bei dem bilateralen Treffen in Paris sein.

Italien hatte am Wochenende zur Lösung der europäischen Schuldenkrise eindringlich sogenannte Euro-Bonds vorgeschlagen - und damit der seit längerem schwelenden Diskussion neuen Auftrieb gegeben. "Wir wären nicht da, wo wir jetzt sind, wenn wir Euro-Bonds gehabt hätten", sagte Finanzminister Giulio Tremonti am Samstag.

Aus Berlin kommt nun deutlicher Widerspruch: "Sicher ist jedem klar, dass es gut wäre, wenn die Zinsniveaus der Euro-Länder wieder aufeinander zugehen. Aber der einzige Weg dazu geht über Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen und die strikte Beachtung eines verschärften Stabilitätspaktes", so Regierungssprecher Seibert. "Das ist der Weg. Nicht der andere." Deshalb sehe er auch keine Entwicklung der deutschen Position in die Richtung von Euro-Bonds in der Zukunft.

Dessen ungeachtet stieß Merkels Koalitionsparter eine scharfe Warnung aus. Der FDP-Politiker Oliver Luksic sagte: "Sollte die Bundesregierung gemeinsame europäische Staatsanleihen mittragen und damit den finalen Schritt in Richtung dauerhafter und grenzenloser Schuldenhaftungsgemeinschaft gehen (...), sollte die FDP sich ernsthaft überlegen, ob eine solche fundamental falsche Weichenstellung noch tragbar ist und die Koalition dann noch eine Zukunft haben kann."

Bei dem Treffen von Merkel und Sarkozy werde es darum gehen, wie die Arbeitsmethoden und das Krisenmanagement in der Eurozone verbessert werden könnten. Dazu würden Deutschland und Frankreich dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy konkrete Vorschläge machen, erklärte Seibert. "Deutschland und Frankreich werden beraten, was auf dem Boden der geltenden Verträge machbar ist."

Unter Euro-Bonds versteht man gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Länder, die von einer noch zu gründenden europäischen Schuldenagentur zur Versteigerung angeboten würden. Bisher vergibt jedes Land ausschließlich eigene Anleihen - mit der Konsequenz, dass hoch verschuldete Staaten teils extrem hohe Zinsen zahlen müssen. Staaten mit glänzender Bonität wie Deutschland oder Österreich kommen dagegen günstig an frisches Geld.

Eurobonds - ein weiterer Schritt in die Transferunion?

Italien war angesichts gewaltiger Schulden zuletzt zunehmend ins Visier der Finanzmärkte geraten, so dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) veranlasst sah, italienische Anleihen zu kaufen. Die Renditen sind seitdem wieder gesunken. Im Gegenzug für diese Hilfe der EZB beschloss Italien erst am Freitag ein zusätzliches Sparpaket im Volumen von 45 Milliarden Euro.

Zu den Befürwortern von Euro-Bonds gehören auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und EU-Währungskommissar Olli Rehn. Kritiker befürchten, dass eine gemeinsame Haftung für Schulden ein tatkräftiges Sparen für hochverschuldete Länder wie Griechenland oder Italien noch unattraktiver machen könnte. Ein weiteres Argument gegen die Euro-Bonds ist außerdem, dass deutsche Steuerzahler so für Schulden der Länder mithaften müssten, die zuvor über ihre Verhältnisse gelebt haben.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprachen sich am Wochenende in verschiedenen Interviews deutlich gegen Euro-Bonds aus. Allerdings berichtete die Welt am Sonntag unter Berufung auf nicht näher präzisierte Regierungskreise, eine europäische Transferunion mit gemeinsamen Euro-Anleihen werde mittlerweile als letztes Mittel im Kampf gegen die Euro-Krise nicht mehr ausgeschlossen. Es sei aber unklar, ob die FDP bereit wäre, den Schritt mitzugehen.

Die Debatte über Euro-Bonds soll in Deutschland dem Bericht zufolge erst geführt werden, wenn die Krise nur noch zwei Alternativen lasse: das Auseinanderbrechen der Währungsgemeinschaft oder eine stärker auf Brüsseler Ebene abgestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Wolfgang Schäuble: "Keine Rettung um jeden Preis"

Schäuble fand im Interview mit dem Spiegel klare Worte: "Ich schließe Euro-Bonds aus, solange die Mitgliedstaaten eine eigene Finanzpolitik betreiben und wir die unterschiedlichen Zinssätze benötigen, damit es Anreize und Sanktionsmöglichkeiten gibt, um finanzpolitische Solidität zu erzwingen", sagte er. Der Finanzminister äußerte sich zuversichtlich, dass der Euro an der Schuldenkrise nicht scheitern werde. Er unterstrich zugleich allerdings, dass es für die in Not geratenen Währungspartner "keine Rettung um jeden Preis" gebe. "Es bleibt dabei: Es gibt keine Vergemeinschaftung von Schulden und keinen unbegrenzten Beistand", sagte Schäuble.

Die Äußerungen zeigen, wie gespalten die Länder mit Blick auf das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel will auch deshalb in Paris mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beraten. Tremonti sagte, die Erwartungen an das Treffen der beiden einflussreichen Politiker seien sehr hoch. Einer Umfrage der Bild am Sonntag ergab, dass 31 Prozent der Deutschen glauben, dass der Euro bis 2021 verschwunden sein wird.

Auch Wirtschaftsminister Rösler sprach sich im Handelsblatt gegen die Einführung von Euro-Bonds aus. "In einem Europa, in dem jeder Mitgliedstaat selbst Verantwortung übernehmen sollte, halte ich eine gemeinsame Euro-Anleihe für den falschen Weg", sagte er. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, warnte im Deutschlandfunk sogar, bei einem Rückgriff auf Euro-Bonds oder einer Erhöhung der Verschuldungsgrenze des ESFS komme es zu einem politischen Zusammenbruch der Europäischen Wirtschafts- udn Währungsunion. "Das kann es nicht sein", sagte er.

SPD-Chef Gabriel unter bestimmten Bedingungen für Euro-Bonds

Im Gegensatz zu den Koalitionsministern fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Einführung gemeinsamer europäischer Anleihen, knüpft diese aber an bestimmte Bedingungen. So sei es unerlässlich, dass die profitierenden Euro-Staaten ihre Fiskalpolitik teilweise unter gemeinsame Kontrolle stellen, sagte Gabriel in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

"Wir brauchen dringend eine gemeinschaftliche Verbürgung der Anleihen", so Gabriel. Gemäß den Maastricht-Verträgen müsse es den Ländern möglich sein, 50 bis 60 Prozent ihrer Schulden über solche Euro-Bonds aufzunehmen. Für den Rest müssten sie allerdings selbst geradestehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1131290
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/Reuters/dpa/aho/luk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.