Euro-Rettung:Wenn sich das Parlament missachtet fühlt

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Die ganze Euro-Retterei geht bisweilen so schnell, dass sich das Parlament in manchen Fragen von der Regierung übergangen fühlt. Nun kommt es zu zwei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Wolfgang Janisch

Der demokratiefressende Kapitalismus, die wachsende Dominanz der Exekutive, die Schwächung des Parlaments: Was derzeit in demokratietheoretischen Diskursen behandelt wird, lässt sich bei zwei Anhörungen des Bundesverfassungsgerichts am praktischen Beispiel besichtigen.

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Zwei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht: Die Euro-Retter agieren an den Abgeordneten vorbei.

(Foto: dapd)

In beiden Fällen geht es um die hektischen Aktivitäten zur Stabilisierung des Euro, um eilige Entscheidungen über Milliardenbeträge. Und darum, dass eine umfassende Beteiligung des gesamten Parlaments - sonst gewiss erwünscht - in diesen Situationen nun wirklich nicht möglich sei.

Der SPD-Abgeordnete Peter Danckert, seit 1998 im Bundestag, beobachtet seit Jahren, "dass die Regierung versucht, unsere Rechte klein zu machen". Nun war es genug. Deshalb hat er mit dem Parlamentskollegen Swen Schulz (SPD) in Karlsruhe geklagt, an diesem Dienstag wird verhandelt. Danckert wendet sich gegen den Neuner-Ausschuss, ein neu geschaffenes Gremium für eine schnelle und diskrete Bundestagsbeteiligung im Umgang mit dem vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF.

Eine Beteiligung, die aus Sicht der Kritiker Alibi-Charakter hat: Neun Abgeordnete sollen im Eilfall - der bei drohender Ansteckung zwangsläufig vorkommt - Kreditlinien erweitern oder Staatsanleihen aufkaufen dürfen. Finanzrahmen: Bis zu 211 Milliarden Euro. Für die Mehrheit im Ausschuss reichen fünf Abgeordnete, und wenn einige von ihnen gerade fehlen, schrumpft die demokratische Basis der Milliarden-Entscheidungen womöglich auf drei oder vier - es gibt weder eine Vertretungsregelung noch ein Quorum.

Was der Zweite Senat unter Vorsitz von Andreas Voßkuhle davon hält, hat er in einer Einstweiligen Anordnung zu erkennen gegeben: Er hat das Gremium stillgelegt. Eine vorläufige Entscheidung, gewiss. Doch was der Senat im Rettungsschirm-Urteil vom 7. September zur Haushaltsverantwortung des Bundestags gesagt hat, klingt nicht danach, als wolle er einen winzigen, von der Regierung leicht zu dominierenden Ausschuss mit wichtigen Aufgaben rund ums Budget betraut sehen.

Der Bundestag müsse eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entscheiden, "auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten". Das Gericht hat dem Haushaltsausschuss eine maßgebliche Rolle zugebilligt - der hat 41 Mitglieder und bildet das Parlament sehr viel differenzierter ab als der Ausschuss.

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