Euro-Rettung:Bundesbank bittet Bundestag um Hilfe

Die Bundesbank will dem Weltwährungsfonds nur dann weitere Milliarden für die Euro-Rettung zur Verfügung stellen, wenn der Bundestag das absegnet. Dadurch gefährdet sie zwar ihre Unabhängigkeit, aber die Alternative wäre aus Sicht der Bundesbank noch riskanter.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Gregor Gysi gehörte bisher nicht zu denjenigen Bundestagsabgeordneten, die die Bundesbank im Bemühen um den Erhalt ihrer Unabhängigkeit bedingungslos auf ihrer Seite wissen konnte. Umso aufmerksamer wird man am Dienstag in Frankfurt registriert haben, dass der Chef der Linksfraktion im Bundestag die jüngste Wortmeldung der Notenbanker ausdrücklich begrüßte - als praktisch einziger.

Weidmann folgt Weber als Bundesbankpraesident

Der oberste Währungshüter Deutschlands, die Bundesbank, ist aus gutem Grund unabhängig. Doch in der Euro-Krise hofft sie auf Unterstützung aus dem Bundestag.

(Foto: dapd)

Die Erklärung der Währungshüter, dass sie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nur dann eine weitere Kreditlinie im Umfang von 45 Milliarden Euro zur Unterstützung schwächelnder Länder zur Verfügung stellen könnten, wenn das Parlament dies beschlösse, sei absolut richtig, sagt Gysi. "Alles andere wäre eine schwerwiegende Missachtung des Bundestages."

Nun hat die Bundesbank zwar keinen entsprechenden Beschluss der Abgeordneten verlangt, sondern nur um Kenntnisnahme ihres Vorhabens gebeten - den Beifall von der falschen Seite aber konnte sie dennoch nicht verhindern. Schlimmer noch: Sie hat ihre eigentlichen Unterstützer aus den Reihen von Union und FDP mit ihrem Wunsch vor den Kopf gestoßen.

Seit Jahrzehnten ist es in den bürgerlichen Parteien Usus, Entscheidungen der Bundesbank nicht zu kommentieren oder sogar dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen - schließlich ist die Bundesbank unabhängig. Und die Währungshüter selbst haben diesen Gedanken bis ins Groteske weiter befördert, indem sie selbst gut gemeinte Ratschläge aus der Politik als Anschlag auf ihre Unabhängigkeit verteufelten. Nun soll alles anders sein. Kein Wunder, dass selbst Wohlmeinende wie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und der stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Meister da nicht mehr mitkommen.

Dabei hat die Tatsache, dass die Bundesbank diesmal nicht nur um einen Ratschlag, sondern sogar um die ausdrückliche Kenntnisnahme des Bundestags bittet, einen einfachen Grund: Durch den jüngsten Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs, die Mittel des IWF um bis zu 200 Milliarden Euro aufzustocken, weitet sich der deutsche Bürgschaftsrahmen für in Not geratene Euro-Staaten von bisher 211 Milliarden Euro faktisch aus.

Die Bundesbank ist als deutsche Anteilseignerin am Währungsfonds grundsätzlich bereit, die damit verbundenen Risiken einzugehen - auch wenn intern beklagt wird, dass die Zentralbanken einmal mehr für entscheidungsunwillige Regierungen in die Bresche springen sollten. Der sechsköpfige Vorstand um Präsident Jens Weidmann will sich aber für den Fall, dass der IWF das an Italien, Spanien oder sonst wen ausgeliehene Geld nicht zurückbekommt, nicht nachsagen lassen, er habe den Bundestag nicht rechtzeitig auf die Gefahr hingewiesen.

Dass er damit eine Diskussion in Gang setzt, ob sich die Notenbank nicht selbst ihrer Unabhängigkeit beraubt, nimmt Weidmann in Kauf. Denn die Alternative wäre aus Sicht seiner Behörde noch weniger attraktiv: Winkt sie nämlich die Kredite jetzt einfach durch, und fallen diese später dann aus, käme womöglich eine Debatte in Gang, wie es eigentlich sein könne, dass eine kleine Gruppe nicht gewählter Beamter das Geld der deutschen Steuerzahler verpulvert. Möglicherweise, so die Befürchtung in Frankfurt, wäre es um die Unabhängigkeit der Bundesbank dann erst recht geschehen.

Die Opposition fordert bereits, Konsequenzen zu ziehen: "Der Präsident der Bundesbank muss an diesem Mittwoch im Haushaltsausschuss erklären, warum er seine Verantwortung nicht wahrnehmen kann oder will, sondern den Bundestag damit betrauen möchte", sagt Carsten Schneider, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Denn wenn die Bundesbank unser Land nicht mehr beim IWF vertreten kann, dann muss das geklärt werden und künftig die Bundesregierung diese Aufgabe übernehmen."

Auch müsse Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel deutlich machen, wie sie zum bestehenden Beschluss des Bundestags stehe, die Lösung der Euro-Schuldenkrise nicht länger der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank zu überlassen. "Für die kurzfristigen Probleme", so Schneider, "hat der jüngste Gipfel jedenfalls keine tragfähigen Lösungen gebracht - abgesehen von der Krisenfinanzierung der Notenbanken durch die Hintertür."

Weidmann fordert unterdessen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass sich auch Länder außerhalb der Euro-Zone an der Aufstockung der IWF-Mittel beteiligen. "Es wird davon ausgegangen, dass die übrigen EU-Länder ebenfalls zur Finanzierung gemäß ihrem relativen IWF-Quotenanteil beitragen", heißt es in einem Brief, den Weidmann und sein Vorstandskollege Andreas Dombret an Schäuble geschrieben haben. Die Bundesbank gehe zudem davon aus, "dass auch Nicht-EU-Länder einen spürbaren Beitrag zur Aufstockung der IWF-Ressourcen leisten."

Auf die gewünschte Unterstützung ihrer Gesinnungsgenossen im Bundestag werden Weidmann und Dombret wohl verzichten müssen. Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, legt sich fest: Der Respekt vor der Unabhängigkeit der Bundesbank gebiete es, auf Handlungsempfehlungen aus dem Parlament zu verzichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: