Euro-Länder unter dem Rettungsschirm:Klamm in der Klemme

Flucht unter den europäischen Rettungsschirm: Notkredite bewahren Portugal, Irland und das hochverschuldete Griechenland vor der Pleite. Seit kurzem steht fest, dass auch Spanien und Zypern Hilfe benötigen. Was die fünf Euro-Länder verbindet und worin sich die Probleme unterscheiden.

Überblick.

Hohe Arbeitslosigkeit, schmerzhafte Sparmaßnahmen, Hoffnungslosigkeit - die Lage in den fünf Euro-Ländern, die bereits Finanzhilfen beantragt haben, ist alles andere als rosig. Doch während die Griechen kaum wissen, wie sie wieder aus der Krise kommen sollen, kann Irland erste Erfolge vermelden. In Portugal und Spanien hingegen verlassen junge Menschen scharenweise ihre Heimat, um ihr Glück im Ausland zu versuchen. Und da ist auch noch Zypern: Der Inselstaat beantragt zwar verhältnismäßig wenig Hilfe, doch gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das benötigte Kapital beträchtlich. Ein Überblick über die Krisenländer.

[] Griechenland: Das depressive Sorgenkind

Griechenland war nicht nur das erste Land, das unter den Rettungsschirm musste - es hat bislang auch am meisten daraus enthalten. Zwei Rettungspakete haben EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) bislang geschnürt: Im Mai 2010 einigte man sich mit Athen auf Kreditbürgschaften von 110 Milliarden Euro, 80 Milliarden davon kamen aus den Euro-Ländern. Damals gab es noch keinen juristischen Rahmen für den Rettungsfonds, der jetzt EFSF und bald ESM heißen wird.

Bereits ein Jahr später benötigte Griechenland allerdings neues Geld: Im Juli 2011 beschlossen die 17 Euro-Länder ein zweites Hilfspaket, das kurz vor der drohenden Staatspleite Anfang 2012 auf den Weg gebracht wurde. Dazu gehörte auch ein Schuldenschnitt, bei dem private Gläubiger dem Land Kredite stundeten.

Bis zum Jahr 2014 erhält Athen aus dem Rettungsfonds EFSF 130 Milliarden Euro. Die neue Regierung möchte hier aber mehr Zeit raushandeln. Die Gelder sind aber an harte Sparmaßnahmen geknüpft, somit kann die Regierung keine Wachstumsimpulse setzen: Seit mehr als vier Jahren befindet sich das Land inzwischen in einer wirtschaftlichen Depression. Hinzu kommt, dass Athen Probleme hat, Steuern einzutreiben.

Analysten rechnen damit, dass Athen frühestens 2017 wieder Kredite am Kapitalmarkt bekommen kann. So lange müsste Europa weitere Hilfen aus dem Rettungsschirm nach Griechenland schicken, will die EU eine Staatspleite vermeiden.

[] Irland: Der Musterschüler

Bis zum Jahr 2008 hatte sich in Irland eine gewaltige Immobilienblase gebildet, die sich nach dem Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems zu einer Bankenkrise auswuchs. Im November 2010 schlüpfte das Land deswegen unter den Rettungsschirm. Die Regierung in Dublin bekam 85 Milliarden Euro zur Verfügung, von der EU, dem IWF, aber auch von den Nicht-Euroländern Großbritannien, Dänemark und Schweden. Außerdem steuerte der irische Staat selbst 17,5 Milliarden Euro aus eigenen Geldreserven und Pensionsfonds zum Rettungspaket bei*.

Seitdem spart Irland eisern, bis 2013 will sich der Inselstaat wieder selbst Geld an den Finanzmärkten beschaffen können. Bisher ertragen die Bürger den Sparkurs mit einer Mischung aus Murren und Fatalismus. Die Iren sind einerseits wütend auf die Banken, andererseits aber auch stolz darauf, dass sie ihre Krise viel besser im Griff haben als die Griechen. Ob die ambitionierten Sparziele bis 2013 erreicht werden können, ist jedoch unklar. Dies werden sich auch die irischen Wähler überlegt haben, die - oft europakritisch - im Juni 2012 den Fiskalpakt per Volksabstimmung legitimierten. Denn Zugang zu Hilfen aus dem neuen Rettungsschirm ESM haben nur Länder, die dieses Gesetz ratifiziert haben.

Doch bisher läuft es in Irland nach Plan. Von den jüngsten Wellen der Schuldenkrise in Europa blieb Irland bislang weitestgehend verschont. Experten rechnen damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wächst und auch jüngste Konjunkturdaten fielen positiv aus. So befindet sich die irische Wirtschaft sogar im Aufwind, während die Euro-Zone wahrscheinlich nur ein Null-Wachstum hinlegt. Dementsprechend sinken die Renditen für irische Staatsanleihen seit längerem. Die Anleger fassen langsam wieder Vertrauen.

*Anmerkungen der Redaktion: Wir haben Details zum irischen Rettungspaket nach der Veröffentlichung ergänzt.

[] Portugal: Die Generation in der Klemme

Portugal war im April 2011 nach Griechenland und Irland das dritte Land, das Geld aus dem Rettungsschirm benötigte. Zuvor war die portugiesische Regierung zurückgetreten, weil die Opposition das von ihr vorgeschlagene Sparpaket abgelehnt hatte. In der Folge hatten Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes massiv herabgestuft, unter anderem wegen der unsicheren politischen Lage und der anhaltenden hohen Verschuldung.

Im Gegenzug für einen Kredit der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 78 Milliarden Euro legte das Land dann ein striktes Sparprogramm auf und leitete Reformen ein. Die Bevölkerung ist wenig begeistert: Die Arbeitslosigkeit in Portugal ist hoch, besonders unter jungen Leuten. Jeder dritte Portugiese unter 25 ist arbeitslos. Die Generation der gut ausgebildeten Jungakademiker, die sich von der Politik zunehmend ausgegrenzt fühlen, hat sogar schon einen eigenen Namen: "Geração à rasca", Generation in der Klemme.

Spanien, Zypern - und wie es weitergeht

Doch es gibt auch ein wenig Hoffnung, dass Portugal sich ähnlich positiv wie Irland entwickeln könnte. Die Exporte legten zuletzt zu. Investoren sehen es ähnlich: Die Rendite auf zweijährige Anleihen aus Portugal fielen zuletzt erstmals seit März 2011 unter acht Prozent.

Trotzdem bleibt vielen bisher nur die Flucht in Länder, in denen die wirtschaftliche Lage besser ist. Zum Beispiel nach Deutschland: Deutsche Krankenhäuser zahlen inzwischen sogar Sprachkurse im portugiesischen Porto, um neues Personal zu gewinnen.

[] Spanien: Die Zaudernden

Nach langem Zögern greift nun auch Spanien nach den rettenden EU-Krediten. Am Montag schickte die Regierung Rajoy den erwarteten Bittbrief. Vor allem die spanischen Sparkassen sind ein Problem. Sie haben in Zeiten des Immobilienbooms mächtig mitspekuliert - und sind so während der Finanzkrise auf faulen Krediten und unverkäuflichen Grundstücken sitzengeblieben. Unklar ist aber immer noch, wie viel Geld Spanien braucht - und zu welchen Konditionen die Kredite fließen sollen. Die EU hat bereits bis zu 100 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Ein unabhängiger Stresstest für den Bankensektor Spaniens analysierte, dass die Löcher in den Bilanzen im schlimmsten Fall 62 Milliarden Euro betragen. Am 9. Juli sollen die Details verhandelt werden.

Ob die EU-Gelder die Lage entspannen, ist noch offen. Die Renditen auf spanische Anleihen sind jedenfalls stetig weiter gestiegen, die Finanzmärkte sind nervös. Die Industrieproduktion im Land bricht ein, ein Sparprogramm als Auflage für EU-Notkredite könnte die Lage noch verschärfen. Bereits jetzt verlassen viele Jugendliche frustriert das Land mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Auch politisch ist die Lage wackelig: Ministerpräsident Rajoy ging zuletzt wie paralysiert auf Tauchstation, statt sich als Krisenmanager zu profilieren.

[] Zypern: Die Mini-Rettung

Am Montag hat das hochverschuldete Zypern Hilfen aus den Rettungsschirmen beantragt. Dies war bereits seit einigen Wochen erwarten worden, sind doch die Banken und Unternehmen des Inselstaats eng mit Griechenland verwoben. Zypern hat aus eigener Kraft nicht genug Geld, um seinen maroden Bankensektor zu stützen. Kritiker monieren, dass Zypern auch deswegen klamm ist, weil die Regierung Einkommen von Unternehmen nur mit zehn Prozent besteuert, was deutlich unter den Sätzen anderer EU-Staaten liegt. Außerdem steckt das Land in einer Rezession.

Die Ratingagentur Fitch schätzt, dass die Kreditinstitute des Landes etwa vier Milliarden Euro brauchen. Das ist deutlich weniger als bei den anderen Ländern, gemessen an der Größe der Volkswirtschaft allerdings beträchtlich: Alleine die 1,8 Milliarden Euro für die Cyprus Popular Bank, das zweitgrößte Kreditinstitut des Landes, machen etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

[] Wie es weitergeht: Italien würde nicht unter den Schirm passen

Die bisherigen Hilfsgesuche sind noch im Rahmen dessen, was der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus ESM verkraften kann, in den auch EFSF-Gelder wandern. Im ESM wollen die Euro-Länder mit Garantien von zunächst 620 Milliarden und Bareinlagen von 80 Milliarden Euro dafür sorgen, dass angeschlagene Länder im Notfall zinsgünstig an Geld gelangen. Das soll Kettenreaktionen eindämmen, die das Ende des Euro herbeiführen könnten.

Allerdings könnte sich der ESM als zu schwach erweisen, sollte sich die Krise in Spanien über den Bankensektor hinweg ausweiten - zum Beispiel, falls sich Madrid am Finanzmarkt kein Geld mehr besorgen kann. In der Rettungs-Kalkulation ist Spanien ein Geberland, kein Nehmer: Die viertgrößte Wirtschaft der Euro-Zone garantiert mit 73,8 Milliarden Euro für mehr als zehn Prozent der Einlagen. Allerdings ist aufgrund der relativ geringen Staatsverschuldung das Vertrauen größer, dass Spanien seine Verbindlichkeiten auch zurückzahlen kann.

Schlimmer noch wäre ein finanzieller Engpass Italiens, dessen schrumpfende Wirtschaft den Euro-Ländern Sorgen macht. Für die Refinanzierung seiner hohen Verbindlichkeiten muss Rom häufig neue Anleihen ausgeben, die Zinsen dafür steigen. Allein 2012 und 2013 muss Italien rund 650 Milliarden Euro neu aufnehmen - deutlich mehr, als in den Rettungsfonds noch übrig ist. Regierungschef Mario Monti fordert deshalb, dass die Rettungsschirme bereits jetzt Anleihen kaufen. Das würde nach seinen Plänen die Zinslast für Rom sinken lassen, ohne dass sich das Land zu einem hartes Sparpaket bekennen muss.

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