Finanzmarkt:Wie der Euro zum Teuro wird

  • Der Kurs des Euro hat zuletzt deutlich nachgegeben.
  • Vor allem die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus belasten die Gemeinschaftswährung.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Was hinter den Fenstern im dritten Stock von 10 Mount Street Lower in Dublin passiert, ist von außen kaum zu erahnen. An der dunklen Eingangstür glänzt ein güldener Knauf, hinter ihr lässt sich durchs Oberlicht ein Kronleuchter erahnen. Auch sonst dringt wenig nach außen, am Sitz des Hedgefonds Alder Capital. Die Herren des Geldes mögen es diskret.

Glaubt man den raren Daten, die Alder kürzlich offengelegt hat, haben manche Rechenprogramme des Hedgefonds im Januar auf einen Fall des Euro gewettet. Im Februar haben viele Hedgefonds solche Wetten gegen die Gemeinschaftswährung gar noch hochgefahren. Viele wetten laut aktuellsten Daten der amerikanischen Börsenaufsicht CFTC derzeit auf einen Fall des Euro. Und haben dabei gerade 21,5 Milliarden Euro im Feuer.

Die Geld-Gilde scheint vorerst recht zu bekommen, denn spätestens seit Anfang Februar gleicht der Kurs des Euro zum Dollar einer Rutschbahn nach unten. Gab es zu Jahresbeginn für einen Euro noch 1,12 Dollar, ging es danach nur noch bergab. Die Devise der Devise: Jeden Tag ein bisschen weniger. Inzwischen bekommt man für einen Euro nur noch 1,08 Dollar. "Die Zeiten für den Euro bleiben schwierig", sagt Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank.

"Politisch muss die Situation in der CDU dem Euro Sorgenfalten auf die Stirn treiben"

Was sich nach Nachkommastellen-Schubserei anhört, ist für Devisenhändler eine ganze Menge. Denn zwischenzeitlich stand die Gemeinschaftswährung so tief wie seit 2017 nicht mehr. Für Verbraucher geht es um bares Geld: egal ob sie einen Urlaub im Ausland planen, mit Aktien handeln oder an der Zapfsäule stehen. Eigentlich hatten sich die Devisenhändler auf ein gähnend langweiliges Jahr 2020 eingestellt. Spezielle Indizes zeigen, welche Schwankungen die Händler in den kommenden Monaten erwarten. Der Puls am Devisenmarkt? Er schien zum Jahreswechsel kaum noch vorhanden. Nun zeigt sich immer deutlicher, es war vermutlich die Ruhe vor dem Sturm.

Finanzmarkt: Ein schwacher Euro macht den Urlaub in den USA teurer, wie etwa hier in Kalifornien, am Strand von Santa Monica.

Ein schwacher Euro macht den Urlaub in den USA teurer, wie etwa hier in Kalifornien, am Strand von Santa Monica.

(Foto: Jessy Asmus)

Vier Gründe sorgen dafür, dass der Euro dieser Tage so rasant abrutscht: Zum einen schreckten neue politische Unsicherheiten viele Investoren auf. So trat in Irland Premier Leo Varadkar zurück, in Deutschland greift die Thüringen-Krise auf die Bundespolitik über. "Politisch muss die Situation in der CDU dem Euro Sorgenfalten auf die Stirn treiben", meint Währungshändler Christian Eggers von der Hamburg Commercial Bank. Sprich: Manchen Investoren wird es politisch in der Euro-Zone zu heiß.

Dax profitiert vom schwachen Euro

Weit gewichtiger allerdings wirkt das Coronavirus. Denn wenn infolge des Virus auch die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Lage grassiert, flüchten sich Investoren traditionell in vermeintlich sichere Häfen. Am Devisenmarkt gewinnt in solchen Schockphasen vor allem die Weltwährung Dollar. Wie auf einer Wippe drücken die Investoren den Dollar nach oben, während auf der anderen Seite der Euro unter Druck steht. In der Finanzbranche wissen sie genau, dass Europa deutlich abhängiger von der chinesischen Wirtschaft ist als die der Vereinigten Staaten.

Während deutsche Exporte nach China rund drei Prozent der hiesigen Wirtschaftsleistung ausmachen, stehen US-Ausfuhren nach China nur für knapp ein Prozent der dortigen Wirtschaftskraft - so zeigen es Zahlen der Bank BNY Mellon. "Wir Europäer sind also deutlich abhängiger", sagt Devisenexperte Daniel Winkler vom Bankhaus Metzler. Für Finanzexperten ist die Konsequenz klar: Sie flüchten aus der Gemeinschaftswährung.

Das hat auch Folgen für Verbraucher in Deutschland. Jeden Morgen können es Kunden beispielsweise an der Zapfsäule spüren, beim Blick auf die Spritpreise. So hat der Benzinpreis in der abgelaufenen Woche wieder zugelegt, weil Ölkäufe für europäische Rohstoffkonzerne am Weltmarkt nun teurer werden. Ölgeschäfte schließen die Energiehändler meist in der US-Währung ab - und für einen Dollar müssen Europäer nun schließlich mehr Euro ausgeben. "Der schwache Euro zeigt Wirkung", heißt es bei Deutschlands größtem Automobilclub, dem ADAC. So hat sich der Durchschnittspreis für einen Liter Super E10 allein in der vergangenen Woche um 2,5 Cent nach oben geschraubt.

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Freuen wiederum dürfen sich Aktionäre. In Börsenberichten ist es beinahe schon zur Phrase geworden, dass der schwache Euro den Dax anschiebt. Doch das ist nicht weiter überraschend: Je schwächer die Europa-Währung, desto billiger können ausländische Unternehmen hiesige Produkte kaufen. Eine Analyse der Commerzbank zeigt, dass im deutschen Leitindex Dax fast alle Aktien von einem schwächeren Euro profitieren dürften - am stärksten jedoch die Titel des Medizintechnikherstellers Fresenius, der Autofirmen BMW und Daimler sowie des Halbleiterunternehmens Infineon. "Das ist ein kleiner Konjunkturschub", sagt der Commerzbank-Experte Leuchtmann.

Meist wirkt der allerdings nur kurzfristig. Manchen Urlaubern hingegen dürfte der schwache Euro die Laune vermiesen. Wer beispielsweise in den USA Urlaub macht, muss nun mehr zahlen. Und auch gegenüber vielen anderen Währungen wie dem kanadischen Dollar, der türkischen Lira oder dem britischen Pfund hat der Euro seit dem Jahreswechsel verloren.

Viele Experten erwarten jedoch, dass die Gemeinschaftswährung zum Dollar in Richtung Jahresmitte wieder etwas aufwerten dürfte. Wer sich dieser Sicht anschließt und noch eine Hotelrechnung für den Sommer zu begleichen hat, kann theoretisch noch einige Wochen warten und auf einen besseren Kurs spekulieren. So können auch Privatanleger ihre ganz private Währungswette eingehen.

Die Hedgefondsmanager bei Alder Capital haben mit allen ihren Euro-Wetten im Januar unter dem Strich offenbar knapp drei Prozent Rendite eingefahren. Das jedoch dürfte den Iren einen handfesten Nachbarschaftskonflikt einbringen: Denn direkter Nachbar der Herren des Geldes in der Dubliner Innenstadt ist ausgerechnet - die örtliche Repräsentanz der EU-Kommission.

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