Euro-Krise:Wann es für Griechenland wirklich eng wird

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Banger Blick in die Zukunft: Wie lange werden die Geldautomaten in Griechenland noch Geld ausspucken?

(Foto: AFP)
  • Ratspräsident Tusk am 7. Juli: "Die finale Deadline endet diese Woche."
  • Kommissionschef Juncker am 30. Juni: "Wir befinden uns jetzt in der allerletzten Millisekunde."
  • Finanzminister Schäuble am 17. Februar: "Am 28. Februar, 24 Uhr, isch over."
  • Wann endet nun wirklich die letzte Frist?
  • Tatsächlich setzen zwei Dinge Athen unter Druck: Die Banken stehen vor dem Kollaps - und die Regierung muss der Europäischen Zentralbank Geld zurückzahlen.

Von Bastian Brinkmann

Jetzt also auch Donald Tusk. "Wir haben nur noch fünf Tage, um die ultimative Lösung zu finden", sagt der Präsident des Europäischen Rates nach dem Sondergipfel am Dienstagabend. Er habe es bisher vermieden, über Deadlines zu reden. "Aber heute Nacht muss ich es laut und deutlich sagen: Die finale Deadline endet diese Woche." Für diesen Sonntag lädt er die Staats- und Regierungschefs Europas zum nächsten Gipfel. Angeblich der letzte in dieser Krise, die seit fünf Jahren anhält. Kann das sein?

An ultimativen Ultimaten mangelt es in der Euro-Krise nicht. Noch vor einer Woche sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: "Wir befinden uns jetzt in der allerletzten Millisekunde." Das war Montagmittag. Ungefähr 128 Millionen Millisekunden später, am Dienstagabend, lief das Programm aus, das Griechenland gegen Reformauflagen mit Notkrediten versorgte. Die Verhandlungen gehen seitdem weiter. Zäh, aber sie gehen eben weiter.

Die Finanzwelt setzt harte Fristen

Der Badener und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat es geschafft, Mitte Februar einen Stichtag zu nennen, der europaweit zur Redewendung wurde: "Am 28. Februar, 24 Uhr, isch over." Vorbei war es danach bekanntlich noch lange nicht. Aber wann isch eigentlich wirklich over?

Die Politik setzt verbale Fristen - die Finanzwelt setzt Grenzen, die härter wirken könnten. Die griechischen Banken stehen vor dem Kollaps. Die Bürger heben ihr Geld von den Konten ab, sie haben Angst. Die Reserven der Institute laufen aus. Niemand weiß, wie lange sie noch durchhalten. Deswegen hat die Regierung beschlossen, die Banken geschlossen zu halten. Kunden können seitdem nur noch 60 Euro am Tag abheben. Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis hatte Anfang der Woche der BBC den Freitag als Termin genannt, bis zu dem die Geldhäuser durchhalten könnten.

Die Zentralbanker haben Macht - und warnen vor einer "Katastrophe"

Eigentlich können sich Banken neues Geld an den internationalen Finanzmärkten besorgen. Doch die trauen den Geldhäusern schon lange nicht mehr. Deswegen hat zuletzt die griechische Zentralbank die Banken mit Notkrediten am Leben gehalten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat aber beschlossen, diese Zahlungen einzufrieren.

Im EZB-Rat sitzt auch der französische Notenbanker Christian Noyer. Er warnte am Mittwoch: "Es braucht unbedingt eine Vereinbarung bis kommenden Sonntag, das ist die letzte Frist. Danach ist es zu spät und die Konsequenzen werden schwerwiegend sein", sagte er. "Die griechische Wirtschaft steht am Rande einer Katastrophe." Kommt keine Vereinbarung, drohe "Chaos".

Darum droht Athen sehr bald die Pleite

Die EZB kann Athen jederzeit unter Druck setzen. Der Rat in Frankfurt kann nämlich entscheiden, dass die griechischen Banken die gewährten Notkredite zurückzahlen müssten. Fast 90 Milliarden Euro hat die Athener Zentralbank ihnen überwiesen. Das Geld haben die Finanzinstitute ziemlich sicher nicht mehr, sie wären dann also sofort pleite. Das Geld der Sparer könnte dann verloren sein.

Aber noch sind die Banken nur im Koma, tot sind sie noch nicht. Dieser Zustand könnte weiter hinausgezögert werden. Wenn die Barauszahlungen beispielsweise von 60 Euro auf 20 Euro gedeckelt würden, könnten die übrigen Reserven drei Mal so lange halten wie bisher. Theoretisch könnte die EZB auch zusätzliche Milliarden an Notkrediten erlauben und damit Athen mehr Zeit geben, doch das wäre voraussichtlich nur möglich, wenn die Verhandlungen zwischen der Regierung von Alexis Tsipras und den Euro-Staaten sehr weit fortgeschritten sind und eine Einigung kurz bevorstünde. Davon ist im Moment keine Rede.

Bald erklären die Finanzmärkte Athen für insolvent

Und dann sind da noch die fälligen Schulden. Erst vergangene Woche hat die Regierung den Internationalen Währungsfonds (IWF) auflaufen lassen und eine Rate nicht fristgemäß überwiesen. Am Freitag muss Athen schon wieder einen Kredit zurückzahlen: zwei Milliarden Euro an Staatsanleihen, die im Finanzsprech T-Bills heißen. Das Geld kann die Regierung wohl nicht zusammenkratzen. Gekauft wurden diese Papiere hauptsächlich von griechischen Banken und sehr risikobereiten Anlegern, etwa Hedgefonds. Zahlt Athen die zwei Milliarden Euro nicht zurück, werden die Finanzmärkte das Land als insolvent einstufen, erklärte die Ratingagentur Standard & Poor's (PDF).

Pleite sein - das ist in normalen Zeiten ein Desaster. Doch Athen hat derzeit ganz andere Probleme. Die Finanzmärkte würden in der jetzigen Situation dem Land mutmaßlich eh keinen einzigen Euro mehr leihen. Die Deadline am Freitag bleibt also praktisch ohne Konsequenzen.

Eine EZB-Kreditrate als wirklich letzte Deadline

Dramatisch für Athen könnte eine Rückzahlung an die EZB werden. Die Zentralbank hatte 2012 griechische Staatsanleihen von Finanzhändlern aufgekauft, um die Märkte zu beruhigen. Diese Kredite muss die Regierung bedienen. Die EZB darf keinen Aufschub gewähren, das verbietet der EU-Vertrag. Am 20. Juli werden rund 3,5 Milliarden Euro fällig.

Verpasst die Regierung diesen Termin, muss Frankfurt das Land eigentlich für insolvent erklären - und die Notkredite für die Banken stoppen. Die Geldhäuser gingen voraussichtlich ebenfalls prompt pleite. Wenn es also eine wirklich letzte Deadline gibt, sind es am ehesten die Rückzahlungen an die EZB.

Allerdings erklärt die EZB das Land wohl nicht direkt am Tag nach der verpassten Zahlung für insolvent. Für die Rückzahlung der Staatsanleihen gelten Verträge - wie bei jedem Hauskredit, nur komplexer. Es ist geheim, was genau in den Verträgen der Papiere steht, die die EZB gekauft hat. Die Kanzlei DLA Piper hat im Jahr 2012 griechische Staatsanleihen analysiert, wie sie in Frankfurt liegen könnten. Demnach räumen die Papiere der Regierung eine Frist von weiteren 30 Tagen ein, wenn sie nicht rechtzeitig überweist. Athens Frist für die EZB-Rückzahlung läuft also nicht am 20. Juli aus, sondern gegebenenfalls am 19. August.

Sollte Athen das Geld für die Juli-Rate irgendwie auftreiben können, geht es allerdings direkt weiter. Am 20. August ist direkt die nächste Zahlung an die Zentralbank fällig: rund 3,2 Milliarden Euro.

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